Lary - Hart fragil

Urban / Universal
VÖ: 20.07.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Fort von der Welt

"Wenn ich noch auf eine verkackte "The future is female"-Veranstaltung von irgendeiner Marke eingeladen werde, kotze ich." Nein, von oberflächlichem Feminismus hält Larissa Sirah Herden alias Lary nicht allzu viel, wie man an diesem verbalen Gelsenkirchener Industriebarock ablesen kann. Schließlich schreibt und singt die Wahlberlinerin und gebürtige Ruhrpottlerin keine Wegwerfphrasen, sondern Liebeslieder. Das MoTrip-Feature "So wie Du bist" inklusive Video, in dem sie unter dem gestrengen Blick von Lena Meyer-Landrut eine Stangentänzerin spielte, ist Ihr bisher bekanntestes, und was sich liest wie die circa dritte Auskopplung aus einem – höhö – Unheilig-Abschiedsalbum, war immerhin ein von vollmundigen Synthies umspülter HipHop-Seufzer, der Individualität und Anderssein feierte. Wie passend: Kommen wir nun zu etwas völlig anderem.

Oder zumindest zu etwas in sich Gegensätzlichem: Kaltgepresste Beats und verschwitzte Rhythmen, zwischenmenschliche Erfüllung und zerstörerische Beziehungsdynamik, urbane Tristesse und diskret angedreckter Metropolen-Glanz – so heißen die Pole, zwischen denen sich "Hart fragil" seelisch die Zähne ausbeißt. Da scheitern Zuschreibungen wie Neo-R'n'B oder die "FutureDeutscheWelle" aus dem Titel des Debüts schon im Ansatz, wenn im Opener "Das neue Schwarz" eine Twang-Gitarre glüht, bevor eine ebenso dunkle Orgel übernimmt und Lary das höchste aller Gefühle beschwört wie eine fiebrige Krankheit, die sie jeden Moment niederzustrecken droht. Mehr "Back to black" als "Lieblingsmensch" oder "Je ne parle pas français" – auch wegen der oft wie in Zeitlupe brechenden, scheinbar mühelos zwischen waidwund und sonor changierenden Stimme.

Diese erweist sich als herausragendes Instrument auf "Hart fragil" und barmt, kratzbürstet und schmeichelt sich souverän durch passgenaue musikalische Versatzstücke. Souliger Torch-Song, durch den Trap-Wolf gedrehter TripHop, Swamp-Rock nach emotionaler Wurzelkanalbehandlung – nur einige Facetten eines vorzüglichen, beständig morphenden Albums. Im doppelbödigen Geister-Pop von "Wenn ich" etwa spuken Keyboard-Glühwürmchen und tonlose Licks, die Vorabsingle "Mond" könnte hingegen auch von tiefergelegten 2raumwohnung mit dezenter Post-Punk-Schlagseite stammen. Minus selbstvergessene Okay-hey-Seligkeit jedoch: Mehrmals wünscht sich Lary aus ganzem Herzen fort – von der Welt, aus dem alles mit sich reißenden Großstadtmoloch oder von einem Lover, der über ihre Kräfte geht. Moral: Lerne leiden, ohne zu melismieren.

Eine Überzeugung, die sich vor allem in der melancholischen Klavier-Kapitulation "Zerbrechlich" niederschlägt – gleichzeitig ist sich Lary aber auch nicht zu schade, dem männlichen Geschlecht beim bombastischen Groover "Fremder" ein "Wie viel für Deine Liebe?" entgegenzuschleudern. Noch entblößter: die überlebensgroße Hymne "Sand", dank weit ausholendem Refrain und einem sich per Rap-Einlage revanchierenden MoTrip ein potenzieller Hit. "Jekyll" reduziert die zwei Gesichter der Künstlerin schließlich auf einen Portishead-artigen Piano-Loop, als müsste Lary zu diesem Zeitpunkt noch unter Beweis stellen, dass sie sämtliche Löcher zu füllen vermag, die sie in ihren beeindruckend mehrdimensionalen Songs gräbt. Und man kann gegen die Hauptstadt sagen, was man will – für "Hart fragil" gilt: In Gelsenkirchen wär dat nie passiert.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Das neue Schwarz
  • Wenn ich
  • Fremder
  • Sand feat. MoTrip

Tracklist

  1. Das neue Schwarz
  2. Wenn ich
  3. Mond
  4. Niagara
  5. Winter
  6. Fremder
  7. Zerbrechlich
  8. Medizin
  9. Columbiadamm
  10. Sand feat. MoTrip
  11. Kopf feat. Serious Klein
  12. Jekyll
Gesamtspielzeit: 47:17 min

Im Forum kommentieren

Völki

2018-08-06 00:52:31

Extreme schrottmusik

Skorpion

2018-08-05 20:18:50

Ist "Sand" ein Cover von scorpions schrottballade "white dove"?

Mond ist aber dufte

45 Jahre ohne Bewährung

2018-07-09 19:44:08

Sie sollte froh sein, dass sie überhaupt auf Veranstaltungen eingeladen wird und nicht in Einsamkeit und Isolation vor sich hinvegetieren muss.

wie immer

2018-07-09 18:59:07

eine total sinnlose Rezension

Armin

2018-07-08 21:37:31- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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