Teyana Taylor - K.T.S.E.

Def Jam / Universal
VÖ: 23.06.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Die Beste zum Schluss

Um es mal mit den legendären Worten von Eins Zwo zu sagen: Seid doch mal ehrlich – so richtig geil war diese Serie an Alben, für die Kanye West verantwortlich war und die im Mai und Juni 2018 im Wochenrhythmus veröffentlicht wurde, irgendwie nicht. Ganz mies natürlich auch nicht, klar, aber ist das wirklich ein passender Maßstab? Die Erwartungen an die mittlerweile als "Wyoming sessions" in die Rap-Geschichte eingehende Veröffentlichungsrunde waren jedenfalls deutlich größer als das, was am Ende schließlich dabei herauskam. Dabei fehlt mit dem Zweitling von R'n'B-Sängerin Teyana Taylor sogar noch das (vorerst) letzte angekündigte Album. Sicher könnte man nun darüber streiten, ob die neben West, Pusha T, Kid Cudi und Nas tatsächlich einzige Frau in der Runde angesichts der bisherigen größtenteils lauwarmen Veröffentlichungen eher einen Nachteil oder Vorteil genießt.

Sie wird wohl so oder so damit umgehen können, ein gänzlich unbeschriebenes Blatt ist Taylor in der Unterhaltungsindustrie nämlich auch nicht, obgleich sie hierzulande noch eher Newcomer-Status hat: Ein MTV-Auftritt im Alter von 16 Jahren. Ein Musikvideo-Choreographie-Job bei Beyoncé. Diverse kleine Schauspiel-Jobs. Schützenhilfe von Pharrell Williams inklusive Plattenvertrag, der in Freundschaft aufgelöst wurde. Eine eigene Reality-TV-Sendung mit ihrem Mann, dem Basketball-Profi Iman Shumpert. Taylor weiß sicher, wie der Entertainment-Hase läuft. Dabei war schon die Veröffentlichung von "K.T.S.E.", das für "Keep that same energy" steht, wieder so ein Drama in mehreren Akten, wie es leider bei jedem der Wyoming-Alben aus Wests Produktionsschmiede an der einen oder anderen Stelle aufgetaucht ist.

Mit einem ganzen Tag Verspätung tauchte "K.T.S.E." auf den Streaming-Diensten auf, angeblich habe West bis zur letzten Sekunden und sogar noch im Flieger auf dem Weg zur Pre-Listening-Party an dem Teil rumgeschraubt und es dann ohne finale Abstimmung veröffentlicht. Doch Taylor weiß, was sie will – und kündigte bereits eine weitere Überarbeitung an, von der beim Verfassen dieser Rezension nach wie vor jegliche Spur fehlt. Verwirren lassen sollte man sich von diesem ganzen Chaos und den Albernheiten aber bloß nicht: "K.T.S.E." ist ein wunderbar souliges R'n'B-Album geworden, noch eine ganze Spur besser als Taylors erster Versuch "VII" aus dem Jahr 2014 und mit acht Stücken in gerade mal knapp 23 Minuten ein zwar kurzes, aber äußerst süßes Vergnügen. Schon im von Streichern getragenen Opener "No manners" macht Taylor sowohl deutlich, das sie nicht nur Sängerin ist, sondern auch über mindestens passable Rap-Skills verfügt, während ein schwerer, zu den Geigen völlig im Kontrast stehender Beat lospoltert.

Und doch geht das alles geradezu nahtlos über in die locker groovende Spätneunziger-Soul-Ballade "Gonna love me", in der sich Taylor mit Leib und Seele über ein Sample von Delfonics' "I gave to you" fleht und sehnt und die schönen wie unschönen Seiten der Liebe besingt. Das erinnert stellenweise an Lauryn Hill, mehr aber noch an Taylors großes Idol Janet Jackson, wenngleich die natürlich auch mit 27 Jahren längst eine Ikone war und es Taylor selbst noch ein wenig am endgültigen Biss fehlt. Trotzdem ist sie auf dem besten Weg nach oben: Im knackig daherzischenden "Rose in Harlem" spielt die Gute erneut mit ihrer Stimme und dem stetigen Wechsel von Gesang und Rap und läuft genau jenen männlichen Label-Kollegen, die ihre Alben vor ihr veröffentlichen durften, mit Leichtigkeit den Rang ab. "Big dick energy" nennen die Kids das dieser Tage, und Taylor stellt beinahe mühelos fest, wer hier wirklich den Größten hat: sie selbst.

Was natürlich nicht heißt, dass die hier eben mal Harte nicht auch zart kann. Im lässigen "Hurry" darf West für einen überraschend kurzen Part auch mal ans Mikrofon treten, nur um schnell einer säuselnden Taylor wieder Platz machen zu müssen. Und in "Issues / Hold on" versucht sich dieser tanzende, singende, rappende Tausendsassa Taylor glatt mal an verträumten Sechzigerjahre-Harmonien. So sehr "K.T.S.E." aber eine Unabhängigkeitserklärung von der Frau aus Harlem an die Welt ist – und auch ein wenig an West selbst –, so sehr ist es auch eine Danksagung an ihre Liebsten, allen voran ihren Mann und ihre Tochter. Die ist in der Befreiungsschlag-Hymne "Never would have made it" auch ein kleiner Gaststar mit Mini-Auftritt, während Taylor zwar klarmacht, dass sie weiß, woher sie kommt, aber auch, wo sie hin will. Und dass ihr Schicksal in genau zwei Händen liegt – ihren eigenen.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Gonna love me
  • Issues / Hold on

Tracklist

  1. No manners
  2. Gonna love me
  3. Issues / Hold on
  4. Hurry (feat. Kanye West)
  5. 3way
  6. Rose in Harlem
  7. Never would have made it
  8. WTP
Gesamtspielzeit: 22:53 min

Im Forum kommentieren

Affengitarre

2020-03-14 14:53:45- Newsbeitrag

French Ass Restaurant

2018-07-04 20:02:46

Hätte das Ding gerne als reines Instrumental-Album. West hat hier mit Gonna Love Me und Rose in Harlem zwei seiner besten Beats aus der Woming-Session untergebracht. Gonna Love Me klingt als ob Madlib und Nujabes was zusammengebastelt hätten.

Die Stimme vom RNB-Mäuschen Teyena nach wie vor austauschbar. Da hätte ich mir lieber eine Jorja Smith gewünscht, aber vielleicht entwickelt sie sich ja noch.

Gibt's hier vielleicht weitere Meinungen zum Album? Würde mich doch schon interessieren, aber anscheinend rauscht das bei fast allen wegen Kanyeübersättigung durch.

French Ass Restaurant

2018-07-01 20:37:55

Finde es jetzt auch nicht so berauschend. Beats und Produktion sind gut, aber sie klingt halt wie ne Lowkey-SZA. Track 8 hätten sie sich dann auch schenken können. Absolut grauenhaft.

Plattenbeau

2018-07-01 20:00:08

8 Songs? WTF!1!

Pulla T

2018-07-01 15:14:00

Wieso eigentlich das Beste zum Schluss? Daytona hat hier doch eine 8/10 bekommen.

Seh die Platte auch bei einer 7/10, wobei mir sowohl Daytona, Ye als auch Kids See Ghosts besser gefallen.

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