Jay Rock - Redemption
Interscope / UniversalVÖ: 15.06.2018
Be humble
Nur ein falscher Schritt, ein kleiner Ausrutscher, eine Sekunde, die man zu lang gezögert oder in der man nicht schnell genug reagiert hat: Das Leben kann schnell vorbei sein, oder zumindest grundlegend anders. Und dann? Rummosern und im Selbstmitleid baden, oder Mund abwischen und weitermachen, irgendwie, mit den gerade vorhandenen Mitteln. Johnny Reed McKinzie, Jr. alias Jay Rock hat sich für Letzteres entschieden: Der hatte im Februar 2016 einen derart schweren Motorradunfall, dass er nur knapp und mit mehreren Knochenbrüchen aus der Sache rauskam. Es folgten Operationen, Reha und offenbar so einige Minuten zum Nachdenken. Mit seinem dritten Album "Redemption" meldet sich der kalifornische Rapper nun zurück und verkündete mit der Vorabsingle "Win" bereits lautstark, dass er trotz ausgiebiger Asphaltknutscherei nach wie vor ein echter Gewinner ist.
Was sich selbst für HipHop-Verhältnisse arg großspurig liest, sollte an dieser Stelle wohl auch mit der nötigen Portion Humor gesehen werden: Jay Rock ist sicher nicht der talentierteste Rapper aus dem Top-Dawg-Lager, aus dem auch Kendrick Lamar oder Schoolboy Q stammen, aber dennoch – auch wenn die andauernde Wiederholung des Wortes "Win" im besagten Track es nicht vermuten ließe – ebenso wortgewandt wie seine Kollegen. Und zudem liefert der Black-Hippy-Spezi mit "Redemption" nicht nur den von Fans langersehnten Nachfolger der 2015er-Werkes "90059" ab, sondern überhaupt auch sein bestes Album. Und ja, das liegt ebenso daran, weil der Mann womöglich durch den Unfall eine neue Form der Selbstwahrnehmung erlangt hat. So ist etwa der Tanz um die eigene Achse im zwischen melancholischer Straßenpoesie und harten Box-Metaphern wechselnden "Knock it off" eine sehr willkommene Überraschung.
Einen deutlich kleineren Knalleffekt hat die Platzierung des von Kendrick Lamar und Future unterstützten "King's dead", das in leicht veränderter Version bereits Anfang des Jahres 2018 auf dem Soundtrack von "Black Panther" zu hören war – da allerdings noch mit Gesangspart von James Blake. Macht nix: Jay Rock ist nicht hier, um das Rap-Genre neu zu erfinden, sondern um es um seine eigenen Stärken zu definieren. Und die entstehend manchmal auch aus schwachen Augenblicken. Das gewollt zähe und schwerfällige "For what it's worth" kreist um die eigenen Selbstzweifel, verliert sich fast in Resignation und arbeitet sich dann doch mit viel Kraft und Anstrengung aus dem Loch heraus.
Und doch, auch wenn es weh tut: Jay Rock geht diesen steinigen Weg der Selbstfindung unbeirrbar weiter. "I'm just part of a winning family / Call me Marlon Jackson", zischt er im in sich gekehrten "Broke +-" und vergleicht sich selbst mal eben mit genau jenem Mitglied der Jackson-Familie, das wohl schon immer am meisten ignoriert wurde. Familie und Freunde, das ist auch so ein immer wieder auftauchendes Thema auf "Redemption", etwa, wenn Jay Rock sich seine eigene Beerdigung vorstellt und sich fragt, wer wohl überhaupt erscheinen würde. Oder wenn er im Nullerjahre-HipHop von "Troopers" erklärt, dass seine engsten Homies diejenigen sind, die mit ihm in den Krieg ziehen – in welchen auch immer. Am Ende siegt die Hoffnung: Im hymnisch-souligen Titeltrack zelebriert Jay Rock das Leben gemeinsam mit Lamar und SZA und wird dann schließlich doch noch ganz weich: "I should have gave you more trust, more love, no lies, more us / 'Cause when my motorcycle crashed and everyone left / You was that angel at surgery saying I ain't done yet." Manchmal braucht es eben doch nur eine zweite Chance.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Knock it off
- King's dead
- Broke +-
- Redemption
Tracklist
- The bloodiest
- For what it's worth
- Knock it off
- ES tales
- Rotation 112th
- Tap out
- OSOM
- King's dead
- Troopers
- Broke +-
- Wow freestyle
- Redemption
- Win
Im Forum kommentieren
Plattenbeau
2018-07-06 06:09:37
Bei Jay Rock gehen die Meinungen auseinander, wie schon der Blick auf die mageren 2.78 Punkte bei RYM zeigt.
Fantano begründet zumindest, warum er eine bestimmte Meinung vertritt. Da kann dann jeder selbst entscheiden, ob er damit konform geht oder nicht.
edegeiler
2018-07-05 23:56:02
Den Einwand lass ich gelten.
MopedTobias (Marvin)
2018-07-05 15:31:08
Wie vertrauenswürdig kann jemand sein, der Kids See Ghosts eine 10 gibt?
edegeiler
2018-07-05 11:23:21
Fantano sagt, das sei lame as fuck. Wem soll ich denn glauben MoppiTobbi?
MopedTobias (Marvin)
2018-07-05 10:57:03
Richtig stark, einer der Rap-Releases des Jahres bisher.
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- Jay Rock - Redemption (6 Beiträge / Letzter am 06.07.2018 - 06:09 Uhr)