Fauna - Infernum

Ventil
VÖ: 24.05.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Der Teufel heißt Rana

"Ohm sweet Ohm" hat Tradition. Zunächst tauchte das Wortspiel 1975 als Songtitel auf Kraftwerks "Radioaktivität" auf und pries die Schaltkreise der ersten Synthies. Später nutzten die systemkritischen Damals-Jugoslawen Laibach das Stück zur Untermalung einer Hommage an ihr verstorbenes Gründungsmitglied Tomaž Hostnik – und verstanden den Begriff Widerstand natürlich als Ungehorsam gegenüber der Obrigkeit statt als physikalische Größe. Auch Rana Farahani hat etwas zum Thema zu sagen: Die in Wien lebende Iranerin rebelliert eigenen Angaben zufolge aus Prinzip, ist in der feministischen Burschenschaft Hysteria sowie im Netzwerk female:pressure organisiert – und spricht im Intro ihres zweiten Albums unter dem Pseudonym Fauna Dräuendes über das Hier und Jetzt: "They play with nuclear bombs and everyone hate each other." Gute Nacht, Welt.

Sagt Farahani allerdings nicht, ohne zuvor noch einmal ihr Gangsta-rappendes Alter Ego Gauna hervorzukramen und auf das weibliche Gegenstück einer dicken Hose zu machen: Der knochentrockene Electro-Hop "Drive by" poltert industriell schabend und dermaßen bis an die Zähne bewaffnet durch die Hood, pardon den Bezirk, dass Robyns "Konichiwa bitches" ihre Wasserpistolen schleunigst wieder wegstecken sollten. Nur eine schillernde Farbe des Entsetzens auf einem elektronisch höchst variablen Album, das genauso gut als dystopische Installation wie als hinterhältige kleine Pop-Subversivität funktioniert. Und dass der Teufel auf "Infernum" eine gute halbe Stunde lang nicht nur Rana heißt, sondern auch im Detail steckt, beweist die Iranerin in nahezu jedem Stück aufs Neue. Mit humorigem Ingrimm und diabolischer Präzision.

Da knallen die perkussiven Türen von "Unbehagen" genauso satt wie in Fatima Al Qadiris "Oubliette" und fordert "Hölle" im Parallel-Fegefeuer aus klinisch sauberem R'n'B und Autotune-Schmäh so entrückt "Schieß mich ins Nirwana", als würde Farahani dort längst in scharlachrotem Tubetop und mit Flammen-Make-Up warten, um die armen Seelen trügerisch säuselnd in Empfang zu nehmen. Ganz schön warm hier – aber gar nicht so ungemütlich, wie man sich das vorgestellt hatte. "Death fly" lässt sich statt von Pech und Schwefel von pulsierenden Sequenzen und Arpeggios umschwirren, und gönnt sich der reizend großspurige Quietsch-Klopfer "Lonely at the top" einen Schluck aus der Helium-Dose, ist das eine willkommene Abwechslung von blubbrigen QT-Energydrinks aus dem Hause PC Music. Als der Teufel den Schnaps gemacht hat, übte sie wohl nur.

Insgesamt nicht gerade ideales Ausgangsmaterial für Farahanis DJ-Sets als Ranah Geist – abgesehen vom minimalistischen Trance-Bömbchen "Went home got lost", das sich mit messerscharfen Fingernägeln aggressiv ins Club-Schattenreich gräbt. Doch wer diesen rigiden Schwitzkasten von einem Track in einer ohnehin schon sengenden Umgebung ohne Schaden an den morschen Knochen übersteht, hat das Ärgste hinter sich und bekommt gegen Ende außerdem einen schaurig-schönen The-Knife-Spuk in die Hirnwindungen gedrückt. Allenfalls ein schwacher Abglanz des bald ins Haus stehenden irdischen Infernos, auf das Farahani den Hörer hier so schonend wie möglich und so eindringlich wie nötig vorbereitet. "Well, we will see if I ever will make a third album", grübelt sie selbst – bis wir mehr wissen, bleibt "Infernum" ein leibhaftiges Vergnügen.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Drive by (Gauna)
  • Death fly
  • Lonely at the top
  • Went home got lost

Tracklist

  1. Primus
  2. Drive by (Gauna)
  3. Unbehagen
  4. Death fly
  5. Lonely at the top
  6. Hölle
  7. Went home got lost
  8. Ghosttrack
  9. Exit
  10. Ultimus
Gesamtspielzeit: 34:28 min

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Armin

2018-07-01 11:55:57- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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