Deafheaven - Ordinary corrupt human love
Epitaph / IndigoVÖ: 13.07.2018
Brüh im Lichte
Nein, diesmal nicht. So ist die Message, die Deafheaven gleich zu Beginn ihres vierten Longplayers "Ordinary corrupt human love" in den Raum stellen. Keine messerscharfen Riffs, kein Blast-Getrommel, kein Shoegaze-Schleier. Denn der Opener "You without end" beginnt das Album nicht nur so harmonisch, wie man sonst ein Werk eher zu Ende führen würde. Auch fehlt der Ausbruch, der nach dem hübschen, mit Piano ausstaffierten Intro samt distanzierter weiblicher Sprechstimme quasi erwartet wird. Vokalist George Clarke lässt seine sattsam bekannten Growls vom Stapel, aber in diesem Kontext wirken sie fremd, stellen sich quer zur Harmonie. Schon auf "New Bermuda" platzierten sie das Gebrüll vermehrt neben sanftere Backing-Instrumentals und Powerriffs, die umfassende Heaviness blieb jedoch. "Ordinary corrupt human love" geht in dieser Hinsicht deutlich weiter und lässt den Vorgänger als Zwischenstation erscheinen und das Streben nach Härte im Rückspiegel. Plötzlich kommt es wie eine Ewigkeit vor, dass Deafheaven als Provokation der Black-Metal-Szene galten. Das Genre ist hier nämlich nur noch einer von vielen Schauplätzen.
Von der Überdosis Wohlklang auf dem mit kleinem Abstand bisher längsten Album der Kalifornier muss man sich zunächst einmal erholen. Bis das Deafheaven zum ersten Mal überhaupt das gewohnte, erfüllende Blackgaze-Gewitter von der Leine lassen, ist man bereits mittendrin im zweiten Song "Honeycomb". Der mit seiner gewohnten Mischung aus Rage und überschwänglicher Ekstase auch diejenigen vorerst wieder ins Boot holt, die ob des Openers und der zwischen Idylle und Classic Rock pendelnden zweiten Single "Canary yellow" ernste Sorgesfalten auf der Stirn bekamen. Trotzdem setzt "Ordinary corrupt human love" nicht nur bei der Mixtur von "New Bermuda" an, sondern addiert nun zusätzlich eine Menge mehr Postrock und viel mehr Melodieverliebtheit. Das Wort "Pop" fiel bereits in der Rezension zu "Sunbather", erst hier kommt dieser allerdings wirklich an die Front. Anders kann man das kaum nennen, was im Gesangsduett "Night people" in vier Minuten unter rhythmischem Herzklopfen und stoischem Klavier passiert. Man könnte meinen, Deafheaven wollen nach der halben Metal-Szene nun auch die eigenen alteingesessenen Fans gegen sich aufbringen.
Dabei ist "Ordinary corrupt human love" ein tolles Album, wenn die aufgrund der vorigen Platten aufgestauten Erwartungen umgepolt werden und man zulässt, dass sich im Strudel des Auf- und Abebbens der Soundwand ein vorwiegend harmonischer Tagtraum entfaltet. "Near" kommt mit relativ knapper Spielzeit und gänzlich ohne Haltegriffe aus, Instrumente verschmelzen, leise klangende Vocals schmachten "Wishing you were near". Der folgende Beginn von "Glint" wäre auch auf einem Mogwai-Album willkommen, zumindest bis ein überraschend heftiges Donnerwetter hereinbricht. Deafheaven finden vor allem in diesem Stück Zeit für kleine Details wie das in seiner Bollerei stets kurzzeitig stockende Schlagzeug oder den sensationellen Übergang in die straightere Rockpassage. Abermals fungieren Clarkes Growls als Bindeglied. Wirkten Deafheaven auf "New Bermuda" innerlich unruhig, für ein Post-Durchbruchsalbum typisch suchend, ist "Ordinary corrupt human love" selbstbewusst in seiner Positivität zwischen vielen Stühlen angekommen. Die transzendentalen Rauschzustände – auf dem Band-Meisterwerk "Sunbather" genau die Widerhaken – werden seltener, stehen weiter voneinander entfernt. Katharsis ist nicht mehr das Ziel. Wie man im Licht der Schönheit verglüht, kann man jedoch weiterhin von Deafheaven lernen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Honeycomb
- Glint
Tracklist
- You without end
- Honeycomb
- Canary yellow
- Near
- Glint
- Night people
- Worthless animal
Im Forum kommentieren
tjsifi
2019-02-08 11:20:11
Ach, ich würde mich auf neuen Output schon freuen.
Finde auch dass es bisher von Album zu Album immer eine spannende (Weiter)Entwicklung gegeben hat.
Anfangs hat mich OCHL eigentlich gar nicht so überzeugt weil mich New Bermuda damals so weggeblasen hat, nachdem ich mich intensiver mit dem Album befasst habe liegen sie mittlerweile gleich auf. Es fällt mir eh extrem schwer bei Deafheaven ein Lieblingsalbum zu bestimmen.
Gummiseele
2019-02-07 19:53:52
Kann nur in die Hose gehen, wenn so schnell wirklich schon der Nachfolger nachgeschoben wird.
Hab OCHL auch nicht mehr wirklich oft gehört nach Release, weil die Formel eben schon mit NB abgenutzt/ausgenudelt war. Und die kleinen Änderungen im Sound waren mir einfach nur gering bzw. gingen für meinen Geschmack in die falsche Richtung allen voran dieses kitschig-peinliche Geheule mit "Night People". Brrr. Und mittlerweile is Clark fast schon der schwächste Faktor in der Band. Ich hoffe echt, dass er sich endlich von diesen fürterlichen fry screams verabschiedet und mal ein paar Stunden Gesangsunterricht nimmt. Sie wollen gerne wie die 90er BM-Version von My Bloody Valentine klingen. Warum dann nicht auch einfach mal etwas mit dem Gesang experimentieren? Was sie in "Near" versucht haben, hat mich jetzt auch nicht direkt überzeugt. Auf jeden Fall muss da von ihm einfach mehr kommen, sonst is die Band für mich durch.
boneless
2019-02-05 19:47:22
Hoffentlich nicht...
Donti
2019-02-05 16:05:40
Angeblich arbeiten sie schon an einem neuen Album.
Anonymität
2018-11-13 06:26:35
Lauter Krach der immer wieder zu schöner Melodie wechselt.
Oder hab ich was verpasst?
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