Jim James - Uniform distortion

ATO / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 29.06.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Der amerikanische Albtraum

"We are the innovators, they are the imitators / Come on, hey, don't you know how we started / We forgot about love, but weren't broken hearted", sang Jim James noch auf dem 2006er-Werk "Z" seiner Hauptband My Morning Jacket. Rund eine Dekade später scheinen seine Worte aktueller denn je, und mit diesem gesunden zeitlichen Abstand versteht man den mittlerweile 40-Jährigen tatsächlich etwas besser. Es fällt nicht unbedingt schwer sich vorzustellen, was für ein Schock die Präsidentschaftswahl 2016 für James gewesen sein muss – für ihn, der Obama einst tatkräftig unterstützte und der seine Abneigung gegenüber Trump in nur allzu klare Worte fasste. Aber es muss halt weitergehen. Und so krempelt James die Ärmel eben wieder hoch und macht das, was er wahrscheinlich am besten kann: Er musiziert sich mit Herz und Verstand genau dorthin, wo man ihn braucht – ins Herz. Und in den Verstand.

Dass der Frontmann der Psychedelic-Rocker von My Morning Jacket dabei mehr nach The War On Drugs' Meisterwerk "A deeper understanding" und stellenweise gar nach Neil Young & Crazy Horse klingt als nach seinen Funk-Idolen wie auf seinem letzten richtigen Soloalbum "Eternally even", darf im Kontext durchaus als Vorteil angesehen werden. James ist nach Aufstand zumute, er zieht sich die Kratzbürste durch die wilde Mähne und kämmt sich anschließend noch die Haare auf den Zähnen damit: Nach dem mit Bob Dylan flirtenden Opener "Just a fool", das sich mit stolzem Adler auf der Brust und patriotischer Flagge im Hintergrund als waschechter Amerikanischer Traum präsentiert, geht es über so einige verzerrte Gitarren und noch mehr Glam-Rock-Flair in "You get to Rome" zum ersten großen Highlight des Albums. "Throwback" groovt sich nämlich mit derart sympathischem wie kumpeligem Americana-Pop-Charme von der West- an die Ostküste, das einem die dazwischen liegenden 3000 Kilometer wie ein viel zu kurzer Katzensprung vorkommen.

Seit 2015 warten Fans von My Morning Jacket darauf, dass James und dessen Kollegen sich wieder zusammentun um Musik zu machen, die sich anhört wie vertonte Wassermalfarben-Kunst. Mit "Uniform distortion" dürfte sich die Wartezeit zumindest vorerst überbrücken lassen. "Better late than never" ist wunderbar flapsiger Power-Pop, der ohne Probleme als Soundtrack für einen lauen Siebzigerjahre-Coming-of-Age-Film wie "American graffiti" herhalten könnte. In die gleiche Kerbe schlägt das zugegeben leicht knödelige und doch ebenso eingängige "Yes to everything", das zumindest noch einen kleinen Abstecher ins nächste Jahrzehnt macht und mit amüsanten wie erstaunlich gut funktionierenden weiblichen Background-Harmonien auf ganzer Linie überzeugt. Und mit dem abschließenden "Too good to be true" packt der Mann aus Kentucky glatt noch die Kitsch-Keule aus und sinniert sich mit Eric-Clapton-Gitarre einmal durch seine eigene Lebensgeschichte, bis er mit viel Blues in der Stimme feststellt: "I guess I just keep / Moving on." Gar nicht mal übel ist sie, diese Strategie, die James auf "Uniform distortion" offenbar verfolgt: Wenn schon alles vor die Hunde zu gehen droht, dann immerhin mitsamt des ganzen verdammten Putzes von den Wänden – angefangen bei jenem vom Weißen Haus.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Throwback
  • Yes to everything
  • Too good to be true

Tracklist

  1. Just a fool
  2. You get to Rome
  3. Out of time
  4. Throwback
  5. No secrets
  6. Yes to everything
  7. No use waiting
  8. All in your head
  9. Better late than never
  10. Over and over
  11. Too good to be true
Gesamtspielzeit: 40:18 min

Im Forum kommentieren

Armin

2018-06-21 20:49:46- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Armin

2018-04-18 21:32:59- Newsbeitrag

JIM JAMES

Jim James, hauptberuflich Frontmann der amerikanischen Rockband My Morning Jacket, veröffentlicht am 29.06. sein neues Soloalbum “Uniform Distortion” auf ATO Records.
Das Coverartwork von “Uniform Distortion” ist das Foto “The Illuminated Man” des preisgekrönten Fotografen Duane Michals (u.a. Cover “Synchronicity” von The Police), das Jim James in einer Thrift Store-Ausgabe von Stewart Brands “Whole Earth Catalog” entdeckte. Er schickte Duane Michals eine E-Mail mit Bitte um Verwendung (schicken wir auf Anfrage gern in voller Länge raus, lesenswert!), und durfte das Foto schlussendlich nutzen.

“I am sending you this email in hopes of you changing your mind about letting me use your image as it appeared in 'the last whole earth catalogue' in 1971 because when i saw it on the page there it spoke to me so deeply of how my head feels like it is exploding with the amount of information we are forced to consume on a daily basis and how that information is so DISTORTED there is almost no longer any tangible truth. the name of my new record is 'UNIFORM DISTORTION' because i feel like there is this blanket distortion on society/media and the way we gather our 'news' and important information..”, sagt Jim James u.a. in der Mail.

Als erster der 11 Songs des neuen Albums ist ab sofort der Opener “Just A Fool” samt Video erhältlich.


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