
Bar - Keep smiling
Rookie / IndigoVÖ: 04.05.2018
Im Sumpf der Gefühle
Die Bar – schon immer ein wichtiger Ort in der Popmusik. Etwa wenn der stets im Bilde befindliche Ed Sheeran zu bedenken gibt: "The club isn't the best place to find a lover / So the bar is where I go." Auf Talking Heads' "Fear of music" hieß die Bar gar "Heaven", und wenig später überlegten Spliff in "Das Blech" verwundert: "Die Büffel, die stehen an der Bar / An der Bar, an der Bar, warum stehen die da?" Abgesehen davon, dass sich die eigensinnigen Rindviecher zuweilen auch anderswo aufhalten, kennen vielleicht Bar aus Freiburg die Antwort auf letztere Frage: Ihr Lounge-infizierter Swamp-Rock verlegt schmierige Wüstenkaschemmen so stilecht in den deutschen Südwesten, dass jeden Moment Pierre Bricegau um die Ecke kommen könnte – auf einem Büffel natürlich. Auch wenn die amerikanische Ausführung genau genommen ein Bison ist.
Und falls Dir, lieber Leser, diese kleine Exkursion in die Welt der Hornochsen nicht gefallen haben sollte: einfach noch ein Gläschen bestellen und lächeln. Doch es ist eher ein gequältes bis lakonisches Grinsen, das Bar auf ihrem Zweitling zur Schau tragen. Immerhin reicht das Quartett im schummrigen Etablissement "Keep smiling" neben verquerem Gefühlschaos und Geschichten über am Leben zerbrochene Gestalten auch "Schnittchen vom Creator" – und zwar in "Catastrophe", wo sich einsam verhallender Twang und knorriger Kontrabass in eine klaustrophobische Nachtmusik hineinsteigern. Die logische Fortsetzung des düsteren Sounds, den der Bar-Vorläufer Liquid Laughter Lounge Quartet als speckigere Variante von Bohren & Der Club Of Gore mit Gesang entwarf. Direktive: "Come on let's feel groovy / It feels like living in a C movie." Wohl wahr.
Dass Jens Teichmanns Vocals gelegentlich den Spoken-Word-Phrasierungen von Blixa Bargeld ähneln, kommt dabei nicht von ungefähr: Produziert hat "Keep smiling" Einstürzende-Neubauten-Bassist Alexander Hacke, der zusammen mit Gattin Danielle De Picciotto auf "Hitman's heel" bereits selbst zwischen Western-Romantik und Vaudeville delirierte. Richtig ungemütlich werden Bar erst mit Verzögerung – erstmals im drahtigen Stampf-Blues "Bound", wo Teichmann so kehlig krakeelt, als würde John Lydon in seinem Butter-Werbespot von einer Kuhherde überrannt und im folgenden Break fauchend den Leibhaftigen raushängen lassen. Und auch das finster zur Bestattung läutende "I think it will be fine" sollte man nicht allzu wörtlich verstehen – sondern eher im Sinne der 2014er Single "Nothing is going to be okay". Schlimmer geht eben immer.
Erst recht, wenn eine Frau ins Spiel kommt, die sich als genauso wenig zimperlich erweist wie "Self defence", gleichzeitig schroffer Country-Rocker und Nahkampf-Schlappe für zudringliche Mannsbilder. "Is this a romance or is this a fight?" grummelt der Protagonist – doch hätte er gerade im Zeitalter von #metoo mehr Distanz zur Angebeteten gewahrt, wäre die Geschichte womöglich besser ausgegangen als mit einem genervten "Fuck you, please don't stay in touch". Genauso wenig eine Lösung allerdings: die Finger gleich ganz bei sich lassen wie die verhinderten Liebenden im doppelstöckigen Psych-Mantra "Massively passive". Da kann selbst der Abschluss "The curtain" mit schüchternem "Nothing else matters"-Riffzitat nichts mehr ausrichten. Also lieber noch ein Gläschen bestellen und lächeln. Nach diesem Album sollte beides nicht schwerfallen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Catastrophe
- Bound
- Self defence
Tracklist
- Bad groove
- Catastrophe
- Bound
- I think it will be fine
- Keep smiling
- Self defence
- Massively passive
- The curtain
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horszt
2018-06-11 08:40:38
Super Platte. Wenn auch eher was für November Tage. Guter Gitarrist.
Armin
2018-06-07 21:04:17- Newsbeitrag
Frisch rezensiert. "Album der Woche"!
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