Soundtrack - 13 reasons why (Season 2)
Interscope / UniversalVÖ: 18.05.2018
Gefühlschaos
"Oh, ich liebe sie / Ich träume von ihr den ganzen Tag und die ganze Nacht / Ich wünschte, sie könnte ständig bei mir sein" – wie in dem guten alten Ärzte-Song geht es Clay Jensen. Er ist geplagt von einer "Teenagerliebe". Diese sucht den Schüler auf einer typischen amerikanischen Highschool heim. Er hegt Gefühle für ein Mädchen namens Hannah Baker, und sie hat auch etwas für ihn übrig. Das Problem ist: Sie haben sich es gegenseitig nie so wirklich eingestanden. An der besagten Bildungsstätte gibt es die Sportler, die Nerds, die Außenseiter, und jeder hat sein Säckchen zu tragen. Das klingt alles erstmal ziemlich unspektakulär. Warum die erste Staffel "13 reasons why" eine der kontroversesten Netflix-Produktionen der letzten Jahre war, liegt an dem Umstand, dass von Beginn an klar ist, dass sich Hannah Baker das Leben genommen hat. Gesundheitsorganisationen fürchteten, dass Selbstmordraten steigen und dieser absolut finale Akt der Selbstbestimmung romantisiert würde. Besagter Clay ist einer von 13 aufgeführten Gründen für das Ableben von Hannah Baker. Er spürt in Staffel 2 nun anhand von Fotos anstelle von Kassetten den vielschichtigen Motiven für den Schlusspunkt in einem Teenagerleben nach. Die musikalische Untermalung gerät dabei sprunghaft wie das Innerste nach einem satten Hormonschub.
Wenn ein Soundtrack mit einem exklusiven Selena-Gomez-Song beworben wird, ist zunächst nichts Weltbewegendes zu vermuten. Die Nummer "Back to you" ist dann auch relativ seelenloser Teenie-Pop mit Anschluss an die eigene Beziehungsdynamik des On-Off-Beliebers. Die weiteren Soundtrack-Exclusives stehen dem in nichts nach. OneRepublic machen das, was sie schon bei "Keinohrhasen" getan haben. Mit Unterstützung des Rappers Logic ist die Band um Ryan Tedder irgendwie da und stört nicht groß. Lord Huron liefern an der Seite von Phoebe Bridgers mit "The night we met" einfach eine Neuauflage des Schlüsselsongs der ersten Staffel und bleiben höchstens wegen ihres amüsanten Bandnamens hängen. In weit über einer Stunde Spielzeit dreht sich das Blatt jedoch zusehends. Die Teenieknöpfe sind schnell durchgedrückt und abgegriffen. New-Wave- und Achtziger-Klassiker von unter anderem Orchestral Manoeuvres In The Dark oder Echo & The Bunnymen bilden die verschrobene Synthie-Front entgegen der Stangenware. Diese Mischung aus zeitgemäßem Teenie-Pop und unkonventionellen Evergreens machte bereits den Soundtrack zur ersten Staffel populär. Wo 2017 Joy Division und The Cure waren, sortieren sich nun New Order und Tears for Fears ein.
Lediglich Einschübe wie "Time" von Coulouring liegen doch reichlich daneben und reiben sich beim Versuch auf, die melancholische Gelassenheit der Veteranen-Bands zu adaptieren. Die Frage nach der Zeit stellte Jasmin Wagner in einem anderen Kontext schon einmal mindestens ähnlich nervig. Die künstlerische Fallhöhe in diesem Tank der Gefühlswelten ist enorm, aber die Teenageremotionen pendeln ja ebenso oft zwischen den Extremen. In der Mitte dieser Pole hämmern hin und wieder der Punkrock und das Aufbegehren. "Tin pan boy" von Yungblud macht es auf eine Art und Weise, wie junge Briten heute Protestsongs interpretieren. The Alarm versuchen es mit "Strength" im Billy-Idol-Stil und existierten auch schon weit länger als viele derer, mit denen sie hier zusammengeworfen wurden. Der Spagat zwischen Konserve zu unverwüstlichen Song-Monolithen kann schmerzhaft und leidvoll sein. Eventuell ist die zweite Hälfte dieses Soundtracks auch eher was für die Erziehungsberichtigten.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Love vigilantes (New Order)
- The killing moon (Echo & The Bunnymen)
Tracklist
- Back to you (Selena Gomez)
- Lovely (Billie Eilish & Khalid)
- Start again (OneRepublic feat. Logic)
- Falling skies (Yungblud feat. Charlotte Lawrence)
- The night we met (Lord Huron feat. Phoebe Bridgers)
- Tangled up (Parade Of Lights)
- Time (Colouring)
- My kind of love (Leon Else)
- Your love (Haerts)
- Love vigilantes (New Order)
- The killing moon (Echo & The Bunnymen)
- Promise not to fall (Human Touch)
- Sanctify (Years & Years)
- Tin pan boy (Yungblud)
- Souvenir (Orchestral Manoeuvres In The Dark)
- Watch me bleed (Tears For Fears)
- Cities in dust (Siouxsie And The Banshees)
- Of lacking spectacle (Gus Dapperton)
- Fallin (in dreams) (Telekinesis)
- Strenght (The Alarm)
Im Forum kommentieren
Teaser
2018-06-03 08:16:54
"Nicht nur "Tote Mädchen lügen nicht" (so der deutsche Titel) sorgt für Diskussionen. Auch der Soundtrack spaltet zwie."
Kein Mensch spricht so.
hubschrauberpilot
2018-05-31 18:06:38
Muss nochmal genau reinhören, beim Schauen der Serie ist der Soundtrack aber im Vergleich zur ersten Staffel nicht positiv aufgefallen.
Armin
2018-05-31 17:56:22- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
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