Tove Styrke - Sway
RCA / SonyVÖ: 04.05.2018
Faszination Echtheit
Von der Castingshow zur 7/10 bei Plattentests.de. Eigentlich kaum vorstellbar, wartet die Welt noch immer auf das erste wenigstens durchschnittliche Album eines Siegers bei "Deutschland Sucht Den Superstar", doch jenseits des deutschsprachigen Tellerrands geht man zum Glück etwas umsichtiger mit internationalen Pop-Standards um. Die damals erst 16-jährige Schwedin Tove Styrke wurde 2009 Dritte beim "American-Idol"-Spin-off ihres Heimatlands. Eine knappe Dekade und zwei Alben später nutzt sie den Freiraum zwischen Tourneen mit Lorde und Katy Perry, um sich mit dem Release ihres Drittlings wie im Vorbeigehen in der Chefetage des Genres zu platzieren. "Sway" ist eine knappe halbe Stunde nah an der Pop-Perfektion, die bei aller Konzision und schamloser Charts-Tauglichkeit immer genug Platz für dezente Experimente lässt. Etwas Ähnliches versuchte die ästhetisch und melodisch vergleichbare Charli XCX mit "Pop 2", doch ließ dessen radikaler Dekonstruktionsdrang stellenweise das Wichtigste außer Acht: Jede noch so willkommene Wagnisbereitschaft bringt nichts, wenn der darunterliegende Song nicht stark genug ist, sie zu schultern.
Styrke hat mit solchen Problemen nichts am Hut, eine konzentriertere Hit-Sammlung als die ersten fünf Songs von "Sway" wird man nur schwerlich finden. Der Opener und Titeltrack torkelt mit stakkato-artigem Gesang an einem verschachtelten Beat entlang, infektiöse Melodien öffnen die Türen, die die komplexe Rhythmik zuvor zugeschlagen hat. Auch "Say my name", "Mistakes" und das vom Rolling Stone zu einer der besten Singles 2017 gekürte "Changed my mind" spielen wunderbar mit dem Kontrast von Sperrigkeit und unglaublich euphorischen Pop-Hooks. Dazwischen tänzelt gleichermaßen federleicht wie melancholisch "On the low" umher, das klingt, als hätte FKA Twigs Lykke Lis Debütalbum "Youth novels" produziert, ein ruhiger Rückzugspunkt inmitten der umgebenden Party. Es ist beeindruckend, wie präzise alles auf diesem Album ist, vom messerscharfen Songwriting zu den minimalistischen Arrangements, die Versatzstücke aus EDM, R'n'B und Elektropop zu einer ganz eigenen musikalischen Vision zusammensetzen. Styrke beweist dabei auch ein großartiges Gespür für Details, baut hier ein Alltags-Sample wie ein vibrierendes Smartphone und da eine kurz andauernde Stimmverzerrung ein, immer mit Funktion für die gerade transportierte Geschichte oder Emotion.
Letzteres ist ohnehin ein gutes Stichwort. Wo der Vorgänger "Kiddo" noch auf offensive feministische Statements setzte, engt "Sway" den narrativen Fokus ein. Die Schwedin zeichnet das Bild einer verletzlichen jungen Frau und ihrer romantischen Sinnsuche, sie weiß genau, dass Pop entgegen der ihm oft vorgebrachten Vorwürfe von Künstlichkeit und fehlender Authentizität das ideale Genre für aufrichtige Gefühlsvermittlung ist. Weil er direkt, simpel und ungefiltert ist, Styrkes Erzählungen von rausch-induzierten Flirts, traumhaftem Verknalltsein und destruktiven Beziehungen bleiben dadurch immer bezugsfähig, unabhängig von Generation und Geschlecht. Es sind neben der musikalischen Klasse gerade diese Intimität und Nahbarkeit, wegen derer man "Sway" ein paar Marginalien gerne verzeiht: Dass "I lied" ein bisschen zu sehr auf der Stelle tritt oder dass das abschließende Lorde-Cover "Liability" mit seiner kühlen Elektronik zwar durchaus etwas Eigenes schafft, den ursprünglichen Song aber auch seiner Dramatik und Zugkraft beraubt. Styrke ist auch schließlich nicht eine der aktuellen Genre-Prinzessinnen, weil sie fehlerlos ist, sondern im Gegensatz zu mancher Kollegin auf jegliche Inszenierung verzichtet. Die größte Attraktion in jedem noch so bunten und wilden Pop-Zirkus bleibt letzten Endes doch der Mensch.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Sway
- On the low
- Mistakes
Tracklist
- Sway
- Say my name
- On the low
- Mistakes
- Changed my mind
- I lied
- On a level
- Liability (Demo)
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Armin
2018-05-24 20:47:41- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- Tove Styrke - Sway (1 Beiträge / Letzter am 24.05.2018 - 20:47 Uhr)