Abay - Love and distortion

Lovers and Friends / Alive
VÖ: 01.06.2018
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Am besten nichts Neues

Okay, noch mal von vorne. Die Notizen durchblättern, Sätze konstruieren, den groben roten Faden für den Text zeichnen. Es bleibt dabei, dass eine Rezension zu einem Album wie Abays Zweitling "Love and distortion" einfach eine undankbare Aufgabe ist. Nicht musikalisch, keinesfalls. Sondern weil man mit allem, was man dazu erzählen kann, nur die alten Texte zum Vorgänger "Everything's amazing and nobody is happy" oder gar gleich frühere Ken- und Blackmail-Rezensionen wiederkäut. Denn "Love and distortion" ist ein Aydo-Abay-Album, unverkennbar, unnachahmlich. Es scheint egal zu sein, ob der kreative Counterpart noch wie bei Blackmail Kurt Ebelhäuser heißt oder nun Jonas Pfetzing. Der – immer noch kurios – sonst bei Juli spielt. Und den Bandkollegen mit Mitte 40 diesmal zu noch besseren Ergebnissen anspornt.

Dass bei Abay womöglich dieser Pop-Impuls im rockigen Setting aber genau das entscheidende Quäntchen ausmacht, ist nicht mal eine weit hergeholte Theorie. "Love and distortion" ist ein Albumtitel, wie er programmatischer nicht sein könnte. Die Melodien sind zum Niederknien und werden nicht selten von Riffattacken und spacigen Freakouts unsanft geschubst – umgekehrt wäre der reine Krach nicht so effektiv, wenn er nicht die Schönheit als Kontrast finden würde. Gerade ab der Mitte des Albums findet zunehmend beides innerhalb eines Songs statt. "Gumo" serviert den ersten Ausbruch in Form eines sphärischen Sechssaiter-Turms, "Lemonade" entscheidet sich derweil in der Mitte dazu, seinen verzerrten Rock aufzugeben und auf Saxofonklängen über psychedelische Mondkraterfelder zu entschweben.

Zuvor hat das eröffnende Songtrio noch die vage Ahnung einer Pop-Platte hervorgerufen, wie damals, als "Aerial view" den Krach aus dem Blackmail-Portfolio ins Hintertreffen verbannte. Oder als der Frontmann ohne die Kollegen im ZDF-Fernsehgarten auftrat und trotz Anti-Nazi-Shirt und vielleicht wegen der Band des Vaters von Bassist Ole Fries als Unterstützung nicht mal deplatziert wirkte. Besonders die Single "Plastic" mit ihren klaren Anleihen von Frank Zappas "Bobby Brown" ist ein gutes Argument für diesen Weg. "Oh my god, I'm so fantastic / I'm under pressure, baby / Hiding my spastics" ist zwar nicht die feine Wortwahl, aber ins Ohr geht das wie nichts sonst. Das hiernach Abay oft ein ähnliches Schema zum Ziel wählen – geschenkt. Was soll man gegen Songs wie das übergroße sechsminütige "Lucid peel" schon sagen? "Say hello to the homecoming queen / I'm stepping out of the suicide machine" ist nur der nächste Haken im Langzeitgedächtnis, bevor der Song in sich zusammenfällt und mit einer aggressiven Breitseite zurückkehrt, die sich gewaschen hat. Die Ruhepause in Form des schunkeligen Wiegenlieds "Love" kommt danach wie gerufen.

Gegen die Kritik, Abay böten hier nichts Neues, gibt es wenig Kontra-Argumente. Wer "Everything's amazing and nobody is happy" schon goutierte, wird mit dem Nachfolger keine Probleme haben. "Love and distortion" will nichts innovativ verändern und beackert das gleiche Feld. Stattdessen ist es bewaffnet mit verdammt tollen Songs, leistet sich keinerlei Schwäche und verbindet mühelos den melodiösen Schwerpunkt mit dem naturgewaltigen Endpol des Bandsounds. Wenn der Closer "In transit" mit seinem mächtigen Finale über einen hinweg gerollt ist, erübrigt sich sowieso jegliche Forderung nach Neuerungen ob der Erkenntnis, dass sich Aydo Abay ein weiteres Diskografie-Highlight selbst geschaffen hat. Das macht am Ende auch den Rezensenten glücklich – auch wenn er mit "Love and distortion" anderweitig einen schwierigen Job hatte.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Plastic
  • Lemonade
  • Lucid peel
  • In transit

Tracklist

  1. Land of silk and money
  2. Plastic
  3. I am the believer
  4. Gumo
  5. Lemonade
  6. Rhapsody in red
  7. Stop the fever
  8. Lucid peel
  9. Love
  10. In transit
Gesamtspielzeit: 46:31 min

Im Forum kommentieren

thePlot

2024-06-15 10:37:13

:O Wäre natürlich super, wenn das dann auch etwas in die Richtung gehen würde.

Vive

2024-06-15 09:50:49

Hey das bist ja du!

Old Nobody

2024-06-14 19:12:53

Hm,wer ist denn da der Dritte im Bunde? Da hat man ja noch nie von gehört :D

Mr Oh so

2024-06-14 18:09:24

Würd mich nicht wundern. Nach zwei Alben wird es bei ihm meist Zeit für ein neues Projekt.

foe

2024-06-14 11:26:28

Aydo scheint mal wieder eine neue Band zu haben. So zumindest die Ankündigung auf Facebook. Heissen vermutlich 'No Body' und Thomas Götz (Beatsteaks) ist wohl auch mit dabei.

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