International Music - Die besten Jahre
Staatsakt / Caroline / UniversalVÖ: 27.04.2018
Die Grenzfantilen
"Knie kaputt / Frisur ist scheiße / Die besten Jahre sind vorbei." Endlich spricht mal jemand aus, was der Rezensent täglich nach dem Aufstehen denkt. Doch nicht nur in Sachen unbeschönigte Daseinsdiagnose sind International Music, die um einen Drummer erweiterte Zweitband des – na klar – Essener Duos The Düsseldorf Düsterboys, ein Phänomen im echten Sinne, zu dessen Debüt sich gleich mehrere Fragen stellen. Wann wurde, nun ja, jugendlicher Ungestüm je in so aufreizend entspannte, zuweilen wie barbituriert wirkende Arrangements gekleidet? Deuten Songs über unliebsame Schulrektoren einerseits und zunehmende Betagtheit andererseits darauf hin, dass "Die besten Jahre" Musik für Greise jeden Alters enthält? Und geht es am Ende noch desolater als in The Düsseldorf Düsterboys' letztjährigem Schmeiß-alles-weg-Hit "Teneriffa"?
Fest steht jedenfalls: Die meiste Zeit scheinen auch International Music nicht sonderlich zu mögen, was um sie herum passiert. Ausnahmen gelten allenfalls fürs andere Geschlecht, auch wenn dieses dem Trio längst nicht immer zu Willen ist. Nicht das "Metallmädchen", wo es zu einem pointierten Tremolo-Shuffle letztendlich an der Körpergröße oder zumindest an den High Heels scheitert, und auch beim "Country girl", das Pedro Goncalves Crescenti und Peter Rubel in leiernd ungelenkem Duett anschmachten, ist die Sache offenbar alles andere als geritzt. Bittere Einsicht: "Man braucht Kohle und Kometen, um ein Mädchen zu entführ'n." Dumm also, dass International Music nur Gitarre, Bass, Schlagzeug und ab und zu eine bedröhnt kokelnde Orgel haben – und Rock-Spielarten von Indie über Kraut bis Space im Hinterkopf. Und dann doch irgendwie ein Segen.
Denn in den nur aufs erste Ohr verwaschen daherrumpelnden Songs lauern allerlei blitzgescheite pophistorische Querverweise, die man angesichts von Titeln wie "Kneipe" oder "Verpiss Dich" und als persönliche Note verstandenen Oberlippenbärten nicht unbedingt erwartet hätte. Wie sich etwa die brüchige Wall Of Sound von "Für alles" neben The Jesus And Mary Chains "Just like honey" auch die Melodieführung von Nenas "?" aufs lappige Brötchen schmiert, ist große, hinreißend ausgelatschte Shoegaze-Kunst. "Mein Schweiß" hingegen nimmt immer mehr Fahrt auf und schafft es dank psychedelischer Surf-Rudimente, Motorik-Beat und dichten Riffs in unter fünf Minuten von The Beach Boys über Can bis zu Joy Division ohne Vergnügungssteuer und zurück. Und inzwischen wackeln bestimmt auch Die Türen mit dem "Popo".
Schließlich eint International Music mit diesen eine oft demonstrative, vordergründige Grenzdebilität, obwohl die Ruhrgebietler ausgerechnet in ihren scheinbar infantilsten Momenten die existenziellsten Themen erörtern. Stampft der innere Dreikäsehoch in "Mama warum?" mit dem Fuß auf, weil man ihm nicht jeden Wunsch von den Augen abliest und soll der maulige Protagonist des prächtig erblühenden "Du Hund" trotz Bauchweh zum Unterricht gehen, erweist sich "Die besten Jahre" nämlich vor allem als eins: die lange, dunkle Playlist eines meist fremdbestimmten Lebens, das insgeheim viel zu bequem ist, als dass man seine The-Velvet-Underground-Platten und das nächste Bier gegen etwas anderes eintauschen würde. Die matte Erkenntnis eines jedoch exquisiten und musikalisch wohlinformierten Albums. Und mit kaputten Knien slackt es sich am besten.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Metallmädchen
- Du Hund
- Für alles
- Mein Schweiß
Tracklist
- Metallmädchen
- Mama warum?
- Du Hund
- Kopf der Band
- Cool bleiben
- Für alles
- Mont St. Michel
- Country girl
- Pfeffer
- Tür
- Farbiges Licht
- Mein Schweiß
- Kneipe
- Nebel
- Daddy is rich
- Verpiss Dich
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myx
2019-07-12 19:00:31
Das glaube ich gerne. ;-) Wir haben uns halt für Madrugada entschieden, war aber auch sehr schön.
saihttam
2019-07-12 14:53:35
Du hättest sie dir auch mal auf dem Maifeld Derby angucken sollen. Da war es auch sehr gut. ;)
myx
2019-07-12 10:35:08
Für mich DIE Entdeckung gestern beim Poolbar-Festival in Feldkirch, kannte die Band bis jetzt eigentlich nur vom Hörensagen.
Das Konzert war auf Mitternacht angesetzt und fand in einem nahezu intimen Rahmen statt, umso direkter ging der Auftritt der Band ans Herz. Einer dieser raren, schönen Momente, wo man plötzlich mehr bekommt, als man bestellt hat. ;-) Freue mich aufs Album.
Rehtro
2018-12-02 13:50:21
Hätten sich weiter "Düsseldoofer Dödelboys" nennen sollen. Hat besser gepasst.
Tim Maelzer
2018-12-02 11:45:17
... Oha! Die Geschmackspolizei ist da!
Wer hat die den angerufen? - Also ich finde die Platte richtig unterhaltsam, ob zu chinesischer Ente oder zu Bulette mit ordentlisch Tunke! Und live zu IM am besten ein frisch Gezapftes...dann allerdings Vorsicht: beim Tanzen nicht schlabbern.
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