Piniol - Bran coucou

Dur et Doux / L'Autre / Inouie
VÖ: 27.04.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Zu viel ist gerade gut genug

Scheinbar muss es mittlerweile nicht mehr ein Anzeichen von übermäßiger Trunkenheit sein, wenn man auf einem rauschenden Konzert plötzlich doppelt sieht. Nachdem bereits die Melvins kürzlich mit "Pinkus abortion technician" eine Platte mit zwei Bassisten veröffentlicht hatten, überspitzt die französische Progressive-Band Piniol dieses Konzept nun ins fast schon Absurde. Will heißen: Das Septett hat nicht nur zwei Bassisten, sondern auch zwei Gitarristen und sogar zwei Drummer. Lediglich Keyboarder Antoine Arnera ist solistisch unterwegs. Vornehmlich hängt das wohl damit zusammen, dass Piniol durch den Zusammenschluss der Bands Ni und Poil entstand. Dass dabei niemand zurückstecken wollte, merkt man "Bran coucou" deutlich an, denn im Gegensatz zu besagter Melvins-Platte fällt das Verdopplungs-Experiment hier wesentlich plakativer aus.

Und das völlig zurecht, denn das Debüt der Franzosen hat derart viele irrwitzige Ideen parat, dass es eine Schande wäre, diese nicht in den Vordergrund zu stellen. Fast durchgängig bedient sich die Band komplizierten polyrhythmischen Arrangements, Klangwechselspielen und vertrackten Tempowechseln, die viel Aufmerksamkeit erfordern, aber eben auch für Musikhörer gemacht sind, die einer solchen Herausforderung gewachsen sind. Teilweise wirken die haltlosen Kompositionen der Band derartig überladen, dass sie fast schon als überzeichnete Parodie auf ewig in ihrem Nerd-Kosmos gefangene Bands wie Sikth verstanden werden könnten. Spätestens die abgehackten Ragga-Vocals in "Pogne" spielen ganz bewusst mit der Überforderung des Hörers, minder großartig werden die sieben Songs von "Bran coucou" aber dadurch nicht. Im Gegenteil, gerade die konsequente Reizüberflutung macht dieses Debüt so spannend.

Denn blickt man einmal hinter die Fassade des gewaltigen Klangballasts, so findet man Songs mit einer großen Fülle an Ideen in variantenreichen Stilistiken, die sich bei weitem nicht nur auf den Kosmos des Metal beschränken. Ein besonderes Highlight ist zum Beispiel das zutiefst ambivalente "ShôShin", das zunächst einen absurden Tanz mit beinahe perkussivem Vokaleinsatz inszeniert, danach in eine schwermütige Doom-Trance einbricht und die Tristesse zum Finale mit scharf-dissonanten Math-Gewittern abschüttelt. "Mimolle" lässt seine wiederkehrenden Grundmotive immer wieder durch die Instrumente der verschiedenen Akteure wandern und leitet dabei auch in einen Zwischenteil aus jazzigem Hammond-Orgel-Funk über. Der Opener "Pilon bran coucou" klingt stellenweise gar wie der düstere Nachtmahr eines Gameboy-Soundtracks.

Zum letzten Kapitel "Orbite" lassen einen Piniol dann aber nochmal kurz sacken, indem sie ein langsames Crescendo mit beängstigend konsonanten Gitarrennoten kokettieren. So gefühlvoll und bedeutungsschwanger wie The Hirsch Effekt wird die Band zwar nie, trotzdem tut dieser Moment gut, um kurz Luft zu holen und erstaunt zu reflektieren, was man in der vergangenen Stunde eigentlich erlebt hat. Natürlich lassen es sich Piniol trotzdem nicht nehmen, schlussendlich doch mit einer effektreichen Math-Gewalt-Orgie zu enden. Wäre ja sonst auch viel zu langweilig geworden.

(Jakob Uhlig)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • ShôShin
  • Orbite

Tracklist

  1. Pilon bran coucou
  2. Pogne
  3. Mimolle
  4. ShôShin
  5. François 1er
  6. Kerberos
  7. Orbite
Gesamtspielzeit: 67:46 min

Im Forum kommentieren

Keuler

2018-10-19 10:51:35

Konzert des Jahrtausends.
Unbedingt hingehen!

nörtz

2018-10-17 15:02:55

In Hamburg müsste man wohnen...

Keuler

2018-10-16 23:23:31

Grad auf Tour:

17.10. - Jena
18.10. - Hamburg
19.10. - Bremen
20.10. - Hofheim

Heiße, kluge Girls am Donnerstag auf der MS Stubnitz in Hamburg am Start?

The MACHINA of God

2018-10-15 19:47:35

Dann leg ich es auch mal wieder ein.

nörtz

2018-10-14 23:06:43

Gebt euch das:

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