Amorphis - Queen of time

Nuclear Blast / Warner
VÖ: 18.05.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Immer weiter

No Breaking News: Irgendwann hat eine Band ihren Signatur-Sound gefunden. Den Sound, an dem fortan nur noch marginale Veränderungen vorgenommen werden – ob gewollt oder nicht, liegt ganz im Auge des Betrachters. Denn dem Wohlfühlfaktor und der kommerziellen Sicherheit steht durchaus auch der Wunsch entgegen, künstlerisch neue Grenzen ausloten zu wollen. Nun, im Fall von Amorphis haben wir schon an anderer Stelle konstatiert, dass die Band eher Evolution als Revolution anstrebt. Was angesichts zahlreicher hochklassiger Alben in den letzten Jahren durchaus Sinn ergibt. So offensichtlich wie mit "Queen of time" haben die Finnen allerdings selten betont, dass eine neue Platte zwar neue Songs, aber eher weniger neue Sounds bringen wird. Mit dem selben Produzenten, nämlich dem zweifelsohne hochbegabten Jens Bogren, zwei den Vorgängern stilistisch nicht eben weit entfernten Vorabtracks, ja, sogar mit einem "Under the red cloud" frappierend ähnlichen Artwork ausgestattet, versuchen die Skandinavier also den Spagat zwischen Stillstand und Kontinuität.

Denn in der Tat gewinnt die erste Single "The bee" nicht unbedingt Innovationspreise im Kontext der Finnen. Warum die Ergänzung? Weil sich natürlich Kohorten an Bands die Finger nach solchen leicht perlenden Gitarrenläufen lecken würden, nach diesen nahtlosen Übergängen zwischen Tomi Joutsens ätherischem Klargesang und seinen mächtigen Growls. Nur die Bremse scheint irgendwo noch drin zu sein. Doch noch während dieser Gedanke durchs Hirn kriecht, löst "Message in the amber" genau diese Bremse, beginnt verträumt, um dann in einen wuchtigen Refrain zu münden. Der bei aller Härte von einer wunderschönen Hook getragen wird. Bis dann im Mittelteil fragile Chöre einsetzen. Wenn es im Sound von Amorphis so etwas wie Innovation gibt, dann ist dies sicherlich ein gutes Beispiel – denn so vielschichtig, so komplex, ohne blindguardianesk zu klingen, waren die Finnen selten.

Dann gibt die Platte Gas. Und hier zeigt sich, welchen positiven Einfluss ein Produzent ausüben kann. Da sind dezent jazzige Saxophon-Einsätze bei "Daughter of hate", dort orientalische Einsprengsel mitsamt Streichern bei "The golden elk" – wohlgemerkt, ohne jemals den Eindruck zu erwecken, als wäre hier in die Effektekiste gegriffen worden. Motto: "Oh cool, Streicher hatten wir noch nicht, immer nun hinein damit." Selbst dieser fast schon obszöne Pop-Appeal von "Wrong direction" ist nicht etwa Single-Kalkül, sondern ein Ohrwurm sondergleichen, der sich in einer gerechteren Welt die Charts locker von oben betrachten würde. Denn noch während man damit beschäftigt ist, ob der vermeintlich viel zu kommerziellen Ausrichtung die Nase zu rümpfen, hat sich die Melodie schon unwiderruflich ins Hirn gefressen.

Gegen Ende wird's dann noch einmal richtig grandios. Irgendwie schafft sie es immer noch, einen Song mit ihrer einzigartigen Stimme zu etwas ganz besonderem zu veredeln. Die Rede ist natürlich von Anneke van Giersbergen, deren frühere Band The Gathering nach ihrem Abgang nie wieder den vorherigen Status erreichen sollte. "Amongst stars" ist so ein feines Duett, auch wenn die Niederländerin dafür noch nicht einmal an ihre Grenzen gehen muss. Grenzen, die Amorphis gerne wieder einmal überschreiten dürften. Und hier beginnt der Zwiespalt. Denn "Queen of time" ist eine derart hochklassige Platte, dass jeder Ansatz von Kritik nach kleinkarierter Mäkelei aussehen muss. Auf der einen Seite steht eine unfassbare Menge an Details, an Ideen, die es zu entdecken gibt, eine Vielschichtigkeit wie selten bei Amorphis. Auf der anderen Seite möchte man den Finnen zurufen, dass sie womöglich noch nicht einmal selbst wissen, wozu sie wirklich imstande sein können. Nur muss man dafür irgendwann die musikalische Komfortzone verlassen. Und genau das tut "Queen of time" leider nicht. Nur – warum zur Hölle bloß läuft die Platte in Dauerrotation?

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Message in the amber
  • Wrong direction
  • Amongst stars

Tracklist

  1. The bee
  2. Message in the amber
  3. Daughter of hate
  4. The golden elk
  5. Wrong direction
  6. Heart of the giant
  7. We accursed
  8. Grain of sand
  9. Amongst stars
  10. Pyres on the coast
Gesamtspielzeit: 57:34 min

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Andy

2018-05-23 15:55:16

Klasse Album (wie man es kennt von den Finnen)

Top: Message of a Amber, Amongst Stars, We Accursed

Jan123456

2018-05-22 15:03:25

Natürlich heißen die Songs Message in the Amber und As Mountains Crumble.

Jan123456

2018-05-22 12:32:18

Wahnsinnsalbum. Nicht jeder Song hat mich sofort mitgerissen, beim erst Durchhören war ich noch eher enttäuscht wegen der hohen Erwartungen, aber mit jedem nochmaligen Hören hat es mich immer mehr überzeugt. Aber das war auch schon bei der VÖ von "Wrong Direction" der Fall. Absolute Highlights sind für mich Stand jetzt:

The Bee
Amongst Stars
Crumbled Mountain (Bonus Track)

Aber auch bei den anderen finden sich wirklich tolle Songs, wie:

Message of the Amber
The Golden Elk
Wrong Direction

Bisher mein Album des Jahres, bin gespannt, ob das nochmal getoppt werden kann.

Armin

2018-05-10 19:48:11- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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