Iceage - Beyondless
Matador / Beggars / IndigoVÖ: 04.05.2018
Rausch und Rauch
"This record radiates joy", so Iceage zu "Beyondless". Nicht unbedingt der Begriff, den man als Erstes mit den Kopenhagenern verbindet – es sei denn, direkt danach folgt ein "Division", obwohl auch das eine nicht hundertprozentig stichhaltige Beschreibungsebene ist. Das vierte Album mit einem Stück namens "Hurrah" zu eröffnen, wo man nach dem hitzigen Hardcore der Anfangstage und den gebrochenen Klageliedern von "Plowing into the field of love" eher ein "Auweh" erwartet hätte, ist also ein Kniff, den man Elias Bender Rønnenfelt und Kollegen nicht ohne Weiteres zugetraut hätte. Doch natürlich rückt der Frontmann den euphorischen Ausruf zu geschwind stampfender Punkrock-Power schnell wieder schief: "We can't stop killing, we'll never stop killing, we shouldn't stop killing." Gerade noch mal gutgegangen – wir hatten uns schon Sorgen gemacht.
Aber nein, um markige Statements und plastische Bilder sind Iceage auch weiterhin nicht verlegen: Als wären die gewaltig auftrumpfende Bläser-Batterie und die zügellosen Leads der Single "Pain killer" noch nicht genug des Forschen, legt Rønnenfelt japsend ein pastorales "Praying at the altar of your legs and feet" nach und stachelt Duettpartnerin Sky Ferreira in diesem besitzergreifenden Allesverschlinger von einem Liebeslied zu ähnlich lüsternen Höchstleistungen an. Und während erstmals der strenge Duft der Bohème durch "Beyondless" weht, sollte sich der Hörer allmählich daran gewöhnen, dass auf einer Iceage-Platte längst nicht mehr nur Hochprozentiges, sondern auch der Rausch der Gefühle besoffen macht. Von orchestral verstärktem Swamp-Rock, defätistischem Country-Swing und der überdrehten Seite des Post-Punk ganz zu schweigen.
Inmitten dieses fiebrigen Taumels fungiert Rønnenfelt abgesehen von ruhigeren Momenten wie dem luftigen "Under the sun" als Kontrastmittel: Konterkariert er die Bemühungen seiner drängelnden Band mit gedehntem Raunen, wirkt das zuweilen, als habe er das Ganze eigentlich nicht nötig, seit er auf dem Debüt "This world is not enough" seines zweiten Standbeins Marching Church den "King of song" gab. Dass er gemäß dem herausragenden "The day the music dies" womöglich bald ohne Reich dasteht, scheint den Sänger dabei kaum zu jucken – es ist schließlich nichts Neues, wenn Iceage es oft so roh im Gebälk knacken lassen, dass man die Musik danach genauso gut wegschmeißen kann. Und dieser von einem scharfen Basslauf aufgepeitschte Kraftbolzen wäre ein idealer Schlusspunkt, ehe alles in Rauch aufgeht. Selbst wenn das Jenseits gar nicht existieren sollte, wie der Albumtitel andeutet.
Der ganz große Knall folgt jedoch erst beim vorzüglichen Düster-Groover "Catch it", der wiederholt in vernichtende Raserei ausartet. Umso mehr ist es aller Ehren wert, was die Dänen mit den Bruchstücken anstellen: Im locker delirierenden "Thieves like us" lässt Rønnenfelt seinen inneren Peter Doherty zu umnachteter Bluesgitarren-Schlaufe beim Ministerium für albernes Gehen vorhumpeln, während "Showtime" eine Kleinkunstbühne zusätzlich mit Getröte und Streichern vollrammelt und zum tosenden Finale alle auf dem letzten Loch pfeifen. Und auch der trunken verdichtete Noise-Rock des abschließenden Titelstücks erweist sich als eine der eingangs dieser Rezension postulierten Wohltaten. Nüchtern zu schüchtern, besoffen zu offen? Am Ende herzlich egal – dieses rotglühende Album ist in jedem geistigen Aggregatzustand eine schummrige Freude.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Under the sun
- The day the music dies
- Catch it
- Thieves like us
Tracklist
- Hurrah
- Pain killer
- Under the sun
- The day the music dies
- Plead the fifth
- Catch it
- Thieves like us
- Take it all
- Showtime
- Beyondless
Im Forum kommentieren
saihttam
2018-11-22 18:22:38
Stärker als Plowing into the Field of Love ist es auf keinen Fall, aber ich finde auch nicht, dass es nach hinten so krass abfällt. Take It All und den Titelsong mag ich sehr. Thieves like Us ist mittlerweile auch ziemlich gewachsen.
eric
2018-11-22 15:23:23
Die erste Hälfte höre ich auch sehr gern. Im Ganzen muss man sagen, dass der Vorgänger viel stärker ist. Allein hintenraus...
Robert G. Blume
2018-11-22 15:04:23
Oceantoolhead
2018-10-07 14:24:51
Ich mag es. Der Anfang ist sehr stark. Gegen Ende lässt es nach. Aber Catch It, Painkiller und Hurrah sind schon ziemliche Killertunes.
saihttam
2018-10-07 14:17:34
Wie findet ihr denn das aktuelle Album?
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