Drangsal - Zores

Caroline / Universal
VÖ: 27.04.2018
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Verarztet

Drangsal: Substantiv, feminin, oder Substantiv, Neutrum / Gebrauch: gehoben / Bedeutungsübersicht: qualvolle Bedrückung, Leiden.

Sagt der Duden, greift aber wie so oft: zu kurz. Seit ein paar Jahren hat das ursprünglich schon schöne Wörtchen nämlich eine weitere Bedeutungsebene, eine, die nach den Achtzigerjahren klingt, aber irgendwie in ganz moderner Erscheinungsform daherkommt, over the top, jaja klar, und gar nicht so fürchterlich leidend, wie man es der Wortherkunft nach vermuten würde: Drangsal meint mittlerweile mit Max Gruber eben auch einen jungen Mann aus dem rheinland-pfälzischen Nirgendwo, der die Musik als Tor zur Welt begreift und dabei bevorzugt die Klangästhetik des New Wave und des Postpunk anzapft. Und der vielleicht gar nicht weiter aufgefallen wäre, hätte sein Debütalbum "Harieschaim" vor etwa zwei Jahren nicht eingeschlagen wie die sprichwörtliche Bombe: Zack, hierzuseits neun von zehn Punkten, aber auch sonst mit guten bis sehr guten Kritiken bedacht und nun, zwei Jahre später, mit dem vielzitierten "schwierigen zweiten Album" "am Start". Uff.

Seine Vorliebe für die 80s hat er freilich nicht abgestreift, die Wachsfiguren von Robert Smith, Morrissey und Dave Gahan wurden für "Zores" dennoch vorsichtig eingeschmolzen: Mehr denn je erinnern Grubers Stücke an das Frühwerk der Ärzte, gemahnen in ihrer knalligen Affektiertheit an die Neue Deutsche Welle, die ja immer auch mehr war als Nenas "99 Luftballons" oder Markus' Knallchargen-Hymne "Ich will Spaß". Schon die erste Single-Auskopplung "Turmbau zu Babel" dengelt sich in seiner quietschigen Poppigkeit in die Nähe einer klassischen Farin-Urlaub-Nummer, prägnante Phrasen werden über jedes Maß hinaus wiederholt: "Alles in Ordnung, denn ich lieb' Dich so, ich lieb' Dich so." Im Vergleich zum Erstlingswerk bietet Drangsal seine Stücke nun fast vollständig auf Deutsch dar, sicherlich auch ein Grund fürs Aufkommen neuer Assoziationen, denn Sprache transportiert ja stets mehr als nur Botschaften, kann oftmals selbst zum Instrument werden, der Klang der Worte verleiht den Kompositionen schließlich immer einen ganz eigenen Charakter.

An ebenjenem, also an Charakter, mangelt Drangsals neuen Stücken mit Sicherheit nicht. Und doch ist es ein mutiger, vielleicht auch ein undankbarer Pfad, den der Pfälzer da einschlägt. Ein Weg, den zudem viele nicht mitgehen werden: Seine neuen Songs sind noch flamboyanter, oft wahnsinnig überdreht, Grubers Stimme überschlägt sich, wenn sie überbetonend von klassischen Vice-Themen wie Promiskuität, Drogen und Kastration berichtet. Der Opener "Eine Geschichte" funktioniert als melodramatische Einleitung, gen Mitte kippt die Stimmung ins Düstere, bedrohlich anschwellende Keyboardflächen übernehmen das Kommando. Von weniger Drama beseelt ist das flotte "Und Du? (Vol. II)", das dafür mit seiner Melodie punktet. Kein neues "Allan align", klar, dafür am ehesten der "Hit" der Platte, falls man in solchen Kategorien zu denken pflegt.

Das folgende "Magst Du mich (oder magst Du bloß noch Dein altes Bild von mir)" entwickelt sich dann zur von teenage angst befeuerten Hymne mit leicht holprigen Versen. Irgendwie sympathisch, dieses Unfertige. "Sirenen" setzt dagegen zunächst auf saftige Gitarren, klingt fast schon nach professionellem Fun-Punk (sorry!), mindestens so lang, bis sich Gruber seinen Unterwerfungsfantasien hingibt. Von "Ich bin ein Hund und ich will nur Deine Liebe" ist es dann eben doch kein weiter Weg mehr zu "Bitte, bitte, lass mich Dein Sklave sein." Das Jonglieren mit popkulturellen Verweisen und Zitaten gehört freilich zu den großen Leidenschaften Drangsals und auch "Zores" ist voll davon. Doch bei aller musik- und pophistorischen Referenzhuberei geht Gruber auf seinem zweiten Album hin und wieder die Luft aus, seine Stücke werden dann zu sehr zu Abziehbildern, zu Folien, denen der wirkliche Tiefgang abgeht: die eingangs zitierte "qualvolle Bedrückung", das "Leiden" wünscht man sich letztlich doch irgendwie: dringlicher.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Und Du? (Vol. II)
  • Gerd Riss

Tracklist

  1. Eine Geschichte
  2. Jedem das Meine
  3. Und Du? (Vol. II)
  4. Magst Du mich (oder magst Du bloß noch Dein altes Bild von mir)
  5. Sirenen
  6. Turmbau zu Babel
  7. Weiter nicht
  8. Laufen lernen
  9. Arche Gruber
  10. Gerd Riss
  11. All the poor ships at sea
  12. ACME
Gesamtspielzeit: 40:49 min

Im Forum kommentieren

Armin

2019-08-30 19:16:53- Newsbeitrag

DRANGSAL
"1000 UND 1 NACHT": STUDIOVERSION DES TOURTRIBUTS AN KLAUS LAGE

Einige von euch haben diesen Song schon auf einer der letzten Drangsal-Shows gesehen, alle anderen kommen spätestens jetzt in den Genuss des Lage-Covers. Dazu ein paar Worte von Max "Drangsal" Gruber selbst:

"Hallo an alle, die zuhören,

Wir wünschen viel Spaß mit unserer Cover-Version des Lage'schen Klassikers "1000 Und 1 Nacht"! Das Stück haben wir — die Band Drangsal — neulich im Studio Wong in Kreuzberg aufgenommen. Christoph Kuhn spielte Schlagzeug, Sam Segarra das Klavier, Oliver Heinrich sang zweite Stimme und spielte Gitarre und ich spiele Bass und singe. Max Rieger hat es für uns produziert und gemischt, die Fotografie auf dem Cover ist von Max Sand und für das Layout zeichnet sich Yael Ohmer verantwortlich.

Als wer, der ob seines niedrigen Alters die Hochphase Klaus' Schaffens nicht live miterleben konnte, fällt es mir natürlich leicht zu sagen, dass Lage und seine Band völlig zu unrecht als uncool verkannt sind. Ich für meinen Teil finde jedenfalls die Texte unbequem und nonkonform weil ungeschönt. Seine Erzählungen sind stets unprätentiös und nah am Leben. Seit mehr als einem Jahr bildet unsere etwas zackigere Version das grande finale unserer Konzerte und es lässt sich erkennen: Die Klaus Lage Band hat, wohl oder übel, einen Song gefertigt, der Geschmacks- und Generations-Grenzen sprengt und übersteigt... Oder zumindest die hiesige Schlager-Affinität bedient."


Armin

2018-11-21 19:43:56- Newsbeitrag

DRANGSAL
NEUE TERMINE FÜR ZORES TOUR 2019

Beinahe alle Venues hat die Drangsal auf ihrer Zores Tour 2018 bisher ausverkauft. Einige Konzerte mussten hochverlegt werden und in den sozialen Medien überschlagen sich seine Fans mit Lob für die fantastische Live-Show. Jetzt hat Max Gruber aka Drangsal angekündigt, dass die Tour 2019 in die zweite Runde gehen wird.


08.03. Dresden – Beatpol
09.03. Berlin – Festsaal Kreuzberg
15.03. Frankfurt/Main – Zoom
16.03. Stuttgart – Im Wizemann
21.03. Kiel – Die Pumpe
22.03. Dortmund – FZW
23.03. Bremen – Lagerhaus

Armin

2018-11-05 19:39:15- Newsbeitrag




DRANGSAL – „EINE GESCHICHTE / UND DU? VOL. II“

MIT LARS EIDINGER, DANIEL RICHTER UND YASMIN EL YASSINI



Gegen die Decke meines Schädels schlägt ein Spalier junger Mädels
Und Du?
Schaust mir hilflos zu
Gegen die Wände meines Herzens halten hundert junge Jungs heiße Kerzen
Doch Du
Schaust nur hilflos zu



Drangsal veröffentlicht heute das Musikvideo - beinahe ist man geneigt zu sagen: den Kurzfilm! – zu „Eine Geschichte / Und Du? Vol. II“. Schon in den frühesten Kritiken zu Zores, dem zweiten Streich des „neuen Zuchtmeisters deutscher Popmusik“, waren es wieder und wieder die oben genannten Zeilen, die sich bei den RezensentInnen besonders festgesetzt und dazu geführt hatten, den nunmehr vor allem auf Deutsch textenden Musiker in jubilierender Manier gänzlich neu zu betrachten. Dass der reizbare Junge aus Herxheim, Geburtsstadt von Sandbahn-Legende Gerd Riss, so sanft zu singen, so zärtlich zu dichten vermag, überstieg offenbar die Erwartungen. Dabei hatte man ja gar nicht erst zwischen den Zeilen zu suchen brauchen, um die stete Betonung des Sängers in Interviews darauf zu erkennen, dass er mit krawalligem 80s-Wave-Rock nicht mehr oder weniger am Hut hätte als mit den musikalischen Pretiosen eines Paddy McAloon.

Wo man mich vermutet steh ich schon lange nicht mehr.


Dieser Liebe zum Pop verleiht „Eine Geschichte / Und Du? Vol. II“ in atemberaubender Perfektion Ausdruck. Max Gruber – schöner war er nie. Doch Drangsal wäre natürlich nicht Drangsal, würde nicht das dazugehörige Video von Regisseur MAX WIEDENHOFER, produziert von BigFish Filmproduktion, mit einem gewissen Kontrastprogramm aufwarten. #NSFW, Kids – ihr wisst Bescheid. Spoiler gefällig?


Hallo,

Bis auf das Tragen von Jockstrap und Strapsen — auf das ich bestand — habe ich für diesen Schmuddelfilm keine einzige Idee selber eingebracht. Alles, was Du siehst, entsprang der verkommenen Fantasie des Regisseurs Maximilian Wiedenhofer.

Der Dreh war intensiv und hat mir viel Spaß gemacht. Das Krankenbett war so gemütlich, dass ich während der Pausen immer wieder darin geschlafen habe. Lars Eidinger und Daniel Richter sind sehr nett.

Viel Spaß mit meinem neuen Musikvideo,

Love
Max Gruber (Drangsal)














Achja, LARS EIDINGER. Den Schauspieler lernte Gruber bei einem TV-Dreh kennen. Und der war offenbar angetan: „Max hat eine spannende Persönlichkeit, ich schätze seine Musik und seine Wandlungsfähigkeit. Vielleicht ist Musik dann doch der Ort, der besser ist, als die Welt." Im Video freilich scheint es weder mit der Güte der Welt noch der gegenseitigen Zuneigung weit her. Wie sonst ist zu erklären, dass… nun.

Und DANIEL RICHTER? Steuerte nicht nur seine Anwesenheit vor der Kamera, sondern gar ein eigenes Gemälde bei. Die Entstehung ist festgehalten im, Achtung, PROLOG zum Video, den ihr hier sehen könnt:

Wo so viel geballtes Talent auf Kinderchöre, Blut und Psychosen, auf Größenwahn, Liebreiz und die FSK trifft, kann selbstredend nur ein kleines Meisterwerk entstehen.

Mister X

2018-10-22 04:32:33

Arche Gruber bei mir mit 648 Wiedergaben seit Veroeffentlichung xD

Anatomie-Professor Armin L.

2018-06-10 15:08:39

Nicht der Nabel, aber die Achselhöhle der "(Musik-)Welt".

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