Terminal Sound System - The endless sea

Denovali / Cargo
VÖ: 06.04.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Schönes Herz, künstliches Herz

Brüche sind schmerzhaft. Vor allem, wenn es um Knochen geht. In der Musik eignen sie sich hervorragend dazu, um Hörer abzuschrecken. Skye Klein mag Brüche. Er ist geradezu besessen von ihnen. Als Terminal Sound System widmet er sich seit bald zwanzig Jahren der gezielten Irritation. Auch sein neues Album "The endless sea" ist kaputt. Kaum ein Track endet dort, wo er enden könnte. Vielmehr zerbröseln Ideen meist genau dann zu Staub und Asche, wenn man sich gerade an einen Sound oder ein Motiv gewöhnt hat. Aus diesem Hang zur Destruktion erwächst auch die große Faszination, die von der Musik Kleins ausgeht.

"Verses" eignet sich gut, um eine Annäherung zu wagen: Der Song beginnt mit spärlichen Akustikgitarren-Akkorden und wartet sogar mit einigen gesprochenen Worten auf, doch nach circa vier Minuten passiert das Unvermeidliche: Ein wummerner Beat schiebt sich in den Vordergrund, während jaulende Synthies vom Ende der Dinge künden. Und weil Skye Klein ein notorischer Kaputtmacher ist, zerschlägt er auch diesen Part gekonnt in seine Einzelteile. Am Ende bleibt nichts außer unheilvolles Wabern. Das ist nicht nur ziemlich anspruchsvoll, sondern garantiert nicht Jedermanns Sache. Spaß macht "The endless sea" nämlich nur selten.

Wobei dies noch zu nett formuliert ist. "The endless sea" ist ein furchtbares Album. Es besitzt die Fähigkeit, die beste Laune in Depression zu verwandeln. Genau deshalb ist es auch so gelungen. Denn Musik kann und darf auch mal richtig ekelhaft sein. Selbst wenn wie in "Sunlight we fall" für kurze Zeit Licht in den Bunker dringt, kommt nie der Eindruck auf, dass es ein Entkommen gäbe. Die Maschinen haben gewonnen. Aus einem Brummen wird ein Brüllen, bis sich die Wahrnehmung mittels Arpeggio-Overkill vernünftigerweise verabschiedet. An ihre Stelle tritt der Instinkt. Überleben ist vielleicht möglich, aber wahrscheinlich nicht mehr sinnvoll.

Brüche sind wichtig. In Biographien zum Beispiel. Dort können sie aber auch irreparablen Schaden anrichten. Willkommen in der Sackgasse. "The hum" liefert den Soundtrack für den Zerfall des Rest-Ichs. Wieder fressen sich tiefe Schluchten in die Songstruktur, wieder nimmt der Fluss einige überraschende Wendungen. Am Ende steht jedoch ein Part, der so umwerfend ist, dass er niemals enden sollte. Er zerbröselt genau dann zu Staub und Asche, wenn so etwas wie Hoffnung aufkeimt. Es gibt keine Hoffnung. Alles, was übrig bleibt, ist ein Pochen aus Metall.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Verses
  • The hum
  • The endless sea

Tracklist

  1. For the silent
  2. Verses
  3. Living light
  4. Sunlight we fall
  5. The hum
  6. The endless sea
Gesamtspielzeit: 39:16 min

Im Forum kommentieren

Lugee

2018-04-06 18:28:20

Klasse Rezension! Ich verfolge TSS schon länger und bin jetzt wieder höchst neugierig, wie mir die neue gefallen wird. DUST SONGS war wirklich aussergewöhnlich, auch wenn mir ältere, mehr elektronische Alben von TSS besser gefallen.

"music is nothing when there is no ugly in it." So oder so ähnlich hab ich das mal aus dem SUN RA - Umfeld aufgeschnappt. Das hat was.

Armin

2018-04-05 21:12:35- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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