Shannon And The Clams - Onion

Easy Eye / Warner
VÖ: 16.02.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Wer wird denn weinen?

Zwiebeln sind auch nur Menschen. Oder war es umgekehrt? Bei einigen bekommt man schon feuchte Augen, wenn man sie nur sieht, andere wiederum bringen einen wirklich bitterlich zum Weinen. Und bei manchen schält man Schicht um Schicht ab, um an ihr Inneres zu gelangen, und übrig bleibt – nichts. Ganz anders bei Shannon And The Clams aus Oakland. Unter ihrer dreckverkrusteten Abart von Rockabilly und Garage-Punk steckte im Grunde immer eine zarte Seele. Ausgerechnet in Gestalt der scheinbar bärbeißigen Frontfrau Shannon Shaw, die auf "Dreams in the rat house" über das schwierige Verhältnis zu ihrem Vater brütete, um ihren Hund Ozma trauerte – und am Ende immer alleine dastand. Bei so viel Kummer verwunderte es nicht, dass der Nachfolger "Gone by the dawn" 2015 zwiespältig bis unentschlossen zwischen den Stühlen saß.

Inzwischen weiß man: Der Longplayer, der erneut Verlassenwerden und Einsamkeit thematisierte, war nur ein Zwischenschritt zum fünften Album "Onion". Auf diesem schießen Shannon And The Clams schon im rechtschaffen hässlichen Artwork den Vogel ab, musizieren inmitten einer giftgrünen Riesenhand und gefallen sich in geschmacksbefreitem Outfit zwischen Camp, Vaudeville und Country-Chic. Immerhin Shaw schaut dabei leidlich selbstbewusst in die Kamera – vermutlich auch mit einem gewissen Stolz darauf, dass ihre Band inzwischen bei angerautem Sixties-Pop mit Beigaben aus Doo-Wop und Soul angekommen ist und die Garage zumindest quietschbunt angepinselt haben wird. Dass die Guteste auch Bass bei Hunx & His Punx spielt, ignorieren wir einmal tapfer. Was nicht allzu schwer fällt bei dieser charmant rückwärtsgerichteten Nummernrevue.

Etwa im Opener "The boy", einem von vielen flehentlichen Herzreißern, bei denen auch jedes Mannsbild mal ganz schwach sein darf. Gespielt mit spitzen Fingern auf der womöglich kleinsten Gitarre der Welt und hingebungsvoll gecroont von Cody Blanchard, der sich den Gesang erneut mit Shaw teilt. Dass sich beide Stimmen nicht wesentlich unterscheiden, passt dabei zum permanenten Eindruck, alles auf "Onion" irgendwo schon einmal gehört zu haben. Etwa Del Shannons "Runaway" als Vorbild des hektisch die Flucht ergreifenden "Backstreets", das schließlich zu einem großangelegten Refrain ausholt, oder die verqualmten Stakkato-Schläge von The Kinks' "All day and all of the night", die das Titelstück in einen wackligen Surf-Boogie überführen, wobei der Background-Chor jeden Moment vom Stühlchen zu kippen droht. Zum Heulen? Keineswegs.

Tränenreicher geht es in "Love strike" zu, wo Shaw mal wieder mit dem zartesten aller Gefühle hadert, auch wenn federnder Beat und geschwindes Fingerpicking das Gröbste kitten. Auch Blanchard ist beim Wüstengalopp "I leave again" samt Orgel und "Hoo-ha!"-Rufen schon über alle Berge und zeigt Amor im vorzüglichen Ohrwurm "I never wanted love" ebenfalls die kalte Schulter. Und Irma Thomas winkt aus New Orleans herüber: All das wusste sie schon 1964 in "Breakaway". Dramatisch wird es erst kurz vor Schluss, wenn der düstere Twang von "Strange wind" der Opfer des Oaklander Lagerhausfeuers von 2016 gedenkt – was dieses wunderbar stilvolle Album aber nicht weniger kurzweilig macht. Produzent Dan Auerbach von The Black Keys krault sich derweil den Bart: Was für eine Zierde für sein Label Easy Eye Sound. Darauf einen Zwiebelrostbraten.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The boy
  • Onion
  • I never wanted love
  • Love strike

Tracklist

  1. The boy
  2. It's gonna go away
  3. Backstreets
  4. If you could know
  5. I never wanted love
  6. Onion
  7. Did you love me
  8. Love strike
  9. I leave again
  10. Tryin'
  11. Tell me when you leave
  12. Strange wind
  13. Don't close your eyes
Gesamtspielzeit: 41:05 min

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Armin

2018-04-05 21:12:00- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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