Manic Street Preachers - Resistance is futile

Columbia / Sony
VÖ: 13.04.2018
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Postscript to history

Manic Street Preachers spielen im Sommer 2018 als Support von Guns N' Roses. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Anfang der Neunziger waren die Waliser parolenschmetternde linke Skandierer, die auch mal einen Track wie "Little baby nothing" über und gegen Misshandlung von Frauen schrieben. Axl Rose & Co., mit ungleich größeren Schuhen unterwegs, vermittelten hingegen ein testosterongetriebenes Selbstverständnis und Geschlechterbild, das man schon fast als Gegenentwurf dazu verstehen kann. Den Manics hätte das jedenfalls zuwider sein müssen. Dennoch existierte immer eine Art Bewunderung und so kommt es, dass sich beide Bands nach über drei Jahrzehnten eine Bühne teilen. Im Gegensatz zu Guns N' Roses war die 1995 zwangsweise zum Trio geschrumpfte Truppe immer präsent und produktiv, hatte stets Motivation für den ein oder anderen stilstischen Schlenker. Auch – oder vielmehr gerade – umstrittene Alben wie "Lifeblood" und "Futurology" brachten frischen Wind. Ihr 13. Album "Resistance is futile" ist daher die zweite Überraschung, die man mit hochgezogenen Augenbrauen empfangen muss. So wenig gewagt hatten die Manic Street Preachers noch nie.

Die Platte wirkt wie eine Pastiche aus der orchestral-schmalzigen Grandezza von "Postcards from a young man", der zurückgezogenen Natürlichkeit von "Rewind the film" nebst einer Portion elektronisch angehauchtem "Futurology"-Powerpop. Besonders die treibende erste Single "International blue" hätte auf letzterem Longplayer eine astreine Figur gemacht. Sie wäre auch der bessere Opener gewesen, denn "People like us" – das schwächste Stück gleich zu Beginn – grenzt schon beinahe an Arbeitsverweigerung. Über den Refrain kann man glatt das selige "Elvis impersonator: Blackpool pier" von "Everything must go" singen, während die von Bassist Nicky Wire geschriebenen Lyrics in den Strophen über dröge Aufzählungen à la "People get tired / People get old / People get forgotten / People get sold" kaum hinauskommen. "Dylan & Caitlin", welches mit Gastspiel der Landsfrau The Anchoress aufwartet, ist auch nicht viel mehr als eine zurückgenommene Variante von "Your love alone is not enough", auch wenn die Dame hübsch mit Sänger James Dean Bradfield harmoniert.

Also alles öde? Natürlich nicht. Das Talent ist ja weiterhin in der Band. Die sehnsüchtig aufheulende Gitarre in "Vivian" muss den Dreien nämlich erst mal jemand nachmachen. Auch das flotte "Liverpool revisited" und noch mehr das folgende, dramatische "Sequels of forgotten wars" sind Perlen, wie man sie sich zuvor erhoffen konnte. Böse Zungen mögen es womöglich bezeichnend finden, wenn Bradfield im zweitgenannten Track "Nowhere to go for Rock'n'Roll" ruft, aber der angeschrägte Refrain tut sein Übriges, um das Stück zu einem der besten der jüngeren Manics-Geschichte zu machen. Kurz vor Ende zeigt "Broken algorithms" dann doch noch den Fitzel Punk, der noch in der Sound-DNA steckt. Wire darf ebenfalls wieder für einen Song ans Mikro und hat sich mit dem wundervollen "The left behind" den verzückenden und in der Tat vollends milde stimmenden Ausklang geschnappt. Wenn der große Rest nur ein wenig mehr wäre als nur "handwerklich solide". Kein Wunder, dass die Band "Resistance is futile" im Interview selbst als "pick and mix" bezeichnet.

Schon klar, auch Alben wie "Send away the tigers" und "Journal for plague lovers" hatten ihre Referenzpunkte in der eigenen Historie, waren aber dennoch mehr oder weniger unerwartete Hakenschläge im zeitlichen Kontext. "Resistance is futile" hingegen ist genau die Schnittmenge des Sounds der letzten Jahre, geht deshalb schnell ins Ohr und Gedächtnis und hinterlässt trotz größtenteils gelungenen bis tollen Songs einen seltsamen Nachgeschmack. "I never wanted you to change / I prefer to stay the same", lässt Wire im erwähnten Closer durchblicken. Sind Manic Street Preachers also mittendrin in ihrer Classic-Rock-Phase? Widerstand sei zwecklos, suggestiert der Albumtitel, und die Musik folgt diesem Pfad. Geschichte schreibt man eh nicht mehr. Da kann man schon mal mit egozentrischen Dinosauriern auf Tour gehen.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • International blue
  • Vivian
  • Sequels of forgotten wars
  • The left behind

Tracklist

  1. People give in
  2. International blue
  3. Distant colours
  4. Vivian
  5. Dylan & Caitlin
  6. Liverpool revisited
  7. Sequels of forgotten wars
  8. Hold me like a heaven
  9. In eternity
  10. Broken algorithms
  11. A song for the sadness
  12. The left behind
Gesamtspielzeit: 46:17 min

Im Forum kommentieren

kingsuede

2024-07-27 10:57:31

In eternity ist bei mir auch nur eine 5/10, Sequels of Forgotten Wars eine 8/10.

nörtz

2024-07-26 21:54:22

Ja, schon eine sehr zähe Angelegenheit. "International Blue" und "Sequels Of Forgotten Wars" sind meine beiden 8er. "Broken Algorithms" ist auch noch okay, aber ansonsten sehr viel Durchschnitt, der nicht hängen bleibt.

The MACHINA of God

2024-07-26 21:37:53

Bei mir sind "In eternity" und "Liverpool" die zwei niedrigsten.

Felix H

2024-07-26 21:32:28

Ich fand die Einzelsongs besser als das Album als Ganzes. Dem fehlt es insgesamt an Strahlkraft und es ist halt eine Standard-Manics-Platte in schlechten Sinne.
Wirklich blöde finde ich aber nur Opener und "In Eternity".

The MACHINA of God

2024-07-26 19:40:11

Boah, ist das Ding zäh. Hab dreimal ne 7/10 gegeben, Rest drunter. 5,8/10

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