Wire - Send
Pink Flag / CargoVÖ: 28.04.2003
Flaggschiff
1977. Die Sex Pistols rotzen der Queen auf die Geburtstagstorte, The Clash zetteln den "White riot" an, und The Damned schreien einer spießigen Welt ihr "Smash it up" in die entsetzte Fresse. Auf der Insel regiert der Punk. Mittendrin und doch ganz am Rand schwenken Wire ihre "Pink flag". Schnell, heftig, reduziert. Minimalistischer und packender als die einundzwanzig Tracks des Debüts der Londoner kann man einen Tritt mitten ins Gehirn eigentlich kaum gestalten. Und genau dieses Körperteil forderten Wire immer wieder - ihr eigenes und das ihrer Hörer. Thinking man's aggression. Ständig auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen, konsequent im Mißachten lächerlicher Scheuklappen in Richtung Pop und Elektronik. Kurz: keine Kompromisse.
Diese werden natürlich auch über ein Vierteljahrhundert nach dem Debüt und zwölf Jahre nach der zwischenzeitlichen Auflösung der Band nicht ansatzweise eingegangen. Um zu beweisen, daß man der alten Dame New Wave immer noch spannende Songs aus den Taschen mopsen kann, packen Wire neben vier neuen Tracks einen Schwung Songs ihrer im letzten Jahr erschienenen "Read and burn"-EPs aus. Und überspringen damit einmal mehr die hochgesteckte Meßlatte.
Egal, ob die süßliche Melodie von "Mr Marx's table" zu scharf geschrubbten Saiten einen Fallstrick auslegt, das dissonant zeternde "Read and burn" alles Blut gefrieren läßt oder "Comet" bei aller Hektik zur sarkastischen Hymne wird - hier wird am offenen Nerv operiert. "In the art of stopping" kommt fast so relaxt daher wie eine Kettensäge in Wartestellung. Spätestens wenn sich Colin Newman in "99.9" um den letzten Rest Verstand geschrien hat, sucht man nach der eigenen Zwangsjacke.
Kein Zweifel, die Lunte brennt wieder. Auch wenn die fällige Explosion wie im heiseren "Spent" oder im etwas stumpfen Nörgler "Nice streets above" nur vorgetäuscht wird, kommen die Songs so trocken daher, daß einem schlicht die Spucke wegbleibt. Irgendwo zwischen nervenzerrendem Minimal-Punk und ätzender Elektronik fährt "Send" seine Krallen aus, um über die Schiefertafel zu kratzen. Ganz nebenbei werden in "Being watched" mit Joy Division und Nine Inch Nails gleich zwei der eigenen Nachfahren daran erinnert, wo ihre Inspirationen lagen. Der längst wieder feurig lodernde Zorn und der stets wache Geist ersticken den geringsten Verdacht, "Send" würde altbacken oder gar lasch klingen, im Keim. Nur ein Kritikpunkt bleibt: Ein paar neue Songs mehr hätten es schon sein dürfen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- In the art of stopping
- Being watched
- Comet
- 99.9
Tracklist
- In the art of stopping
- Mr Marx's table
- Being watched
- Comet
- The Agfers of Kodack
- Nice streets above
- Spent
- Read and burn
- You can't leave now
- Half eaten
- 99.9
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Schäbiger Wurzelsepp
2007-03-13 12:47:53
Ich finde Send nicht im geringsten genial,sondern eher nervend, relativ banal und (ich nenn es mal) "pseudo-experimentell" da greif ich eher auf die 154 zurück, die erscheint mir da deutlich ergiebiger..und deine abschließende Bemerkung, ähhh tja..naja, lassen wir das..
rainer
2007-03-10 22:10:37
Ich finde SEND genial, in seiner für WIRE typischen Einfachheit. Natürlich muß man die Band von früher kennen und mögen.
Wer damit nicht klar kommt, soll sich den MUSIKANTENSTADL ´reinziehen.
(bei allem zweifelhaften Respekt, den gibt´s auch schon ewig...)
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