Nakhane - You will not die

BMG / Warner
VÖ: 16.03.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Aus dem Hall

Es sieht ein wenig so aus, als räkele sich Nakhane Touré auf dem Cover-Porträt seines zweiten Albums "You will not die" im roten Vorhang aus "Twin Peaks". Und es wäre als Idee gar nicht so abwegig, wandelt(e) der Südafrikaner doch zwischen den Welten. Kulturell und lange Zeit auch sexuell. Seine nackte, beinahe androgyne Präsenz wirkt wie ein Zeichen der baren Hingabe seines Inneren. Geboren in der Kleinstadt Alice wuchs er als Homosexueller in Port Elizabeth in einem Haushalt bekennender Christen auf. Und es dauerte einige Zeit, bis er Akzeptanz fand. Für sich. In der Familie. In der Gesellschaft.

"You will not die" ist nicht Nakhanes einziges Ventil seelischer Freisetzung und erworbenen Selbstbewusstseins, es ist vielmehr das Album eines Mannes, der im Electro-Neo-Soul eine weitere künstlerische Darstellungsform gefunden hat. Nakhane ist schließlich auch Dichter, Buchautor und Schauspieler. 2018 stand er als Akteur des Film "The wound" als bester ausländischer Film auf der Short-List der Oscars. Auf seinem zweiten Album – das Debüt erschien ausschließlich in Südafrika – zeigt sich der 30-Jährige mit einer weiten Range und einer sich über Geschlechtergrenzen hinweg bewegenden Stimme. Mal fragil, mal stark. Mit Erzählungen aus seinem Leben – und von seinem Tod.

Der Albumtitel ist inspiriert durch einen Traum Nakhanes. Darin wurde ihm sein Todesdatum genannt, das, so lässt sich mutmaßen, offensichtlich in ferner Zukunft liegt und eine befreiende Wirkung auf ihn hatte. Das mag für den Otto Normalverbraucher etwas weit hergeholt wirken, sollte angesichts der wunderbaren Pianoballade, in der Nakhane dies nachzeichnet und die in den exakt richtigen Momenten Dramatik aufbaut, aber schnell vergessen sein.

In "Presbyteria" besingt er die große Bedeutung der ersten Kirche, die er in Alice besuchte. Inzwischen aber hat sich Nakhane vom christlichen Glauben gelöst und längst auch von den irrationalen Vorstellungen, Homosexualität sei heilbar. Wenn Du das als Betroffener denkst oder denken musst, muss Dich das ungemein aufreiben. Der Opener lässt dies erahnen. In "Violent measures" erklingen Streicher und ein tröpfelnder Computer-Beat, ehe Nakhane glorreich zu gospeligem Summen aus dem Hall hervortritt und singt: "I didn't give it a name / I didn't need it to come alive / Desperate times call for stolen pleasures / Yes, these were violent measures."

Die Einflüsse für "You will not die" sind vielfältig, sind zu suchen im Gospel und Soul, bei Anohni, Grace Jones und Wild Beasts und letztlich auch in Afrika, das seine musikalischen Fußabdrücke hinterlässt in rhythmischen Gerüsten des 80s-Tracks "By the gullet", dem hektischen und mit Riff versehenen Tribal von "Clairvoyant" sowie in Phrasierungen und in Backgroundgesängen. "Teen prayer" bildet als Spiritual einen wunderbaren Abschluss, zuvor schüttelt "Interloper" groovende Synthies aus der Hüfte, baut "The dead" auf synkopische Beats samt dystopischem Ende und hypnotisiert das schleppende "Fog" mit seinen "Come on"-Rufen wirkungsvoller als jede drehende Schwarz-weiß-Scheibe in klischeehaften Behandlungszimmern. Wer sich auf die Couch legen mag: "You will not die" ist ein Stückchen Therapie.

(Stephan Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Violent measures
  • You will not die
  • By the gullet

Tracklist

  1. Violent measures
  2. Clairvoyant
  3. Interloper
  4. You will not die
  5. Presbyteria
  6. The dead
  7. Star red
  8. Fog
  9. By the gullet
  10. All along
  11. Teen prayer
  12. Clairvoyant (Radio mix)
Gesamtspielzeit: 47:16 min

Im Forum kommentieren

Gute Frage

2018-03-29 20:39:54

Ist der mit der Erotikdarstellerin Nekane verwandt?

Armin

2018-03-29 20:38:53- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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