Peter Kernel - The size of the night

On The Camper / Cargo
VÖ: 09.03.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Kein braver Hund

Bei Peter Kernel gilt: ein Album – ein Tier. Schon auf dem zweiten Longplayer "White death & black heart" legten sich zwei Hände um den Hals einer schwarzen Katze, bei den Aufnahmen zu "Thrill addict" erhielt das Duo regelmäßig Besuch von einem streunenden Exemplar, bis dieses ein trauriges Ende im Straßenverkehr fand. Das Cover von "The size of the night" ziert nun ein Hund – namentlich Arrow, der Bassistin und Sängerin Barbara Lehnhoff durch ihre Kindheit begleitete. Und liefert sich die Frontfrau im Song "Drift to death" ein säuseliges, The Stooges' "I wanna be your dog" zitierendes Duett mit Gitarrist Aris Bassetti, entbehrt das weder gewisser Komik noch latenter Spannung. Schließlich entgegnete die Kanadierin einmal auf die Frage, ob sie und der Schweizer ein Paar seien: "Meist wissen wir das selbst nicht so richtig."

Auch das Süßholz, das der Opener "There's nothing like you" raspelt, erweist sich schnell als ambivalent, wenn Peter Kernel den Song mit aggressiven Riffs aufbohren und Lehnhoff es nicht lange ohne die spitzen Shouts aushält, die bereits das "For you the wild"-Album ihres elektronischen Seitenprojekts Camilla Sparksss und die "Thrill addict"-Single "High fever" bestimmten. Und die Temperatur steigt in der Tat – etwa beim folgenden "Pretty perfect", das allenfalls eine kratzbürstige Schönheit abgibt: Polternd stapft eine grob gestrickte Rhythmusgruppe nach vorne und schlägt sich mit Bassettis Licks herum, die kurz darauf das Stück punktgenau sezieren. Und plötzlich vertragen sich aufmüpfiger Post-Punk auf der einen sowie trügerischer Engelsgesang, beschwichtigende Bläserschwaden und orchestrale Versatzstücke auf der anderen Seite erstaunlich gut.

Nicht verwunderlich, wenn man weiß, dass Lehnhoff und Bassetti sich 2017 zum Sextett Peter Kernel & Their Wicked Orchestra aufstockten und Teile ihres Backkatalogs live und auf einer Vinyl-EP mit Viola, Cello oder Harfe interpretierten. Und dabei vermutlich mehr Zwischenräume und Ruhepole als erwartet in ihrer Musik entdeckten, was sich auf "The size of the night" nun in Details wie den gezupften Streichern von "The secret of happiness" oder den Handclaps und Akustik-Parts des so versöhnlich wie versonnen vor sich hinstolpernden "Terrible luck" niederschlägt. Vor allem letzterer Song träumt sich entgegen seines Titels mit einem spielerisch gehauchten "Love is a leak from a better world" in eine emotionale Utopie hinein – wäre da nicht der dazwischenklöppelnde Signalton, der den Hörer unsanft in die Smartphone-Realität zurückholt.

In dieser wartet bereits die drahtige Auskopplung "Men of the women", bei der Peter Kernel zu verschlepptem Groove und präzisen Leads zunächst altbekannte Knöpfe drücken, ehe sich die Gitarre zum eiernden Metronom aufschwingt und der atemlose zweistimmige Singalong des Duos den Song in ungeahnt psychedelisch taumelnde Höhen befördert. Ein spitzfindiger Minimalismus, der genauso maximale Wirkung entfaltet wie "The shape of your face in space", das zwischen Uptempo-Drive und komplexen Interludes auf Drums und Xylophon wiederholt abbremst und beschleunigt und die ungeheure Dynamik von "The size of the night" vielleicht am besten auf den Punkt bringt. Womit auch die Gefahr halbgarer Wortspiele wie "des Wachtelhunds Kern" oder "eine große Nachtmusik" gebannt ist – und die Diskografie der Schweizer um ein hervorragendes Album reicher.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Pretty perfect
  • Terrible luck
  • Men of the women
  • The shape of your face in space

Tracklist

  1. There's nothing like you
  2. Pretty perfect
  3. The secret of happiness
  4. Terrible luck
  5. Drift to death
  6. Men of the women
  7. The revenge of teeth
  8. The shape of your face in space
  9. This storm will last
  10. The fatigue of passing the night
Gesamtspielzeit: 43:41 min

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Armin

2018-03-08 22:07:41- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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