JB Dunckel - H+

Jive / Epic / Sony
VÖ: 16.03.2018
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Viel zu hell

Jean-Benoît Dunckel ist nicht gerade ein Freund von Subtilität. Als eine Hälfte von Air, dem mit Sicherheit zweitsexiesten Duo der Musikgeschichte nach Modern Talking, arbeitete der französische Soundvirtuose schon immer mit dem größtmöglichen aller visuellen Kontraste: Weiß für die Hauptband, schwarz für sein unter dem nicht weniger unsubtil als dessen Farbgebung betitelten Alias "Darkel" veröffentlichtes "Solo-Werk". Nach diversen Kollaborationen und Soundtrack-Arbeiten hat Dunckel, wie es das Feuilleton so gerne schreibt, nun offenkundig "zu sich selbst gefunden", er versteckt sich nicht mehr hinter Decknamen und lässt auf dem Cover von "H+" seinen futuristisch farblos gekleideten Körper im wortwörtlichsten Sinn von einem Nagelbett in unterschiedlichsten Rot- und Blautönen aufspießen. Das Problem: Genauso wenig wie "Darkel", trotz gewollt dunklerem Ansatz, einen nennenswerten Unterschied zum Air-Output bot, schlägt sich auch bei "H+" die Erweiterung der Farbpalette nicht hörbar in der Musik nieder.

Allzu schlimm ist das an und für sich aber zunächst nicht, etwaige Kritik an Air, sie wären natürlich schon immer nur weichgespülte Begleitmusik für den Beischlaf auf Valium gewesen, war natürlich schon immer nur Nonsens. Egal, ob die gleichermaßen verträumte wie zwingende Pop-Perfektion von "Moon safari" und "Talkie Walkie" oder die gefühlt in jedem Song das Genre wechselnde Stilvielfalt von "10.000 Hz legend", Dunckel und sein Kollege Nicolas Godin haben sich ihren ganz eigenen, charakteristischen Sound zwischen Futurismus und analoger Vintage-Synthie-Liebe erschaffen. Vollkommen verständlich, dass Ersterer da gar keinen Druck sieht, sich irgendwie zwanghaft neu erfinden zu müssen, doch für den Hörer steht die Frage im Raum, ob die drölfte pastellfarbene Zuckergusstorte in Folge nicht doch eine zu viel ist. Eine solche ist "H+" nämlich unmissverständlich wieder geworden, darüber können auch die zaghaft nach irgendeiner Art von Aufbruchsstimmung greifenden Piano-Anschläge des Openers "Hold on" nicht hinwegtäuschen. Wo es inhaltlich um Transhumanismus und progressive, technologische Zukunftskonzepte geht, bleibt musikalisch nur der rückblickende Tritt auf der Stelle.

Fairerweise muss man dem Franzosen ein paar mehr als gelungene Aha-Momente dann doch zugestehen. Da ist in erster Linie das absolute Album-Highlight "Carpet bombing", das seine nervös zappelnden Synth-, Drumcomputer- und Bass-Fragmente in einen finalen Jam zusammenlaufen lässt und damit andeutet, wie Funkadelic wohl als moderne Elektropop-Band geklungen hätten. Die Piano/Percussion-Kombination von "In between the two moons" klingt leicht kubanisch an, während "Transhumanity" etwas willkommene, schwungvolle Dynamik mitbringt, wo sonst nur schwerelose Schwebe regiert. Prinzipiell wäre dies gar kein Problem, aber leider erreichen weder die luftigen Popsongs, noch die sphärischen Soundscapes von "H+" den überdurchschnittlichen Qualitätslevel, auf dem sich Air selbst in ihren schwächeren Momenten eigentlich immer bewegten. Stattdessen fällt einem zu "Slow down the wind (up)" nun wirklich kein anderes Adjektiv als "sterbenslangweilig" ein, "The garden" treibt mit seinen überdramatischen Streichern die Zuckrigkeit bis zur unbekömmlichen Spitze und dass Dunckel solo, im Gegensatz zu den meisten Air-Alben, fast gänzlich auf Unterstützung am Gesang verzichtet, ist bei seinem dünnen Stimmchen auch mehr Fluch als Segen. Es ist wirklich schön, dass diese lebende Legende zeitgenössischer elektronischer Musik mittlerweile ohne Alias auskommt und überhaupt noch Musik macht. Bei dieser konsequenten Verweigerung neuer Farbtöne bleibt der Ertrag für den nicht-fanatischen Hörer aber in Frage zu stellen. Mehr Dunckel heißt eben leider nicht mehr Dunkel.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Transhumanity
  • Carpet bombing

Tracklist

  1. Hold on
  2. Love machine
  3. The garden
  4. Transhumanity
  5. Qwartz
  6. Slow down the wind (up)
  7. Space age
  8. In between the two moons
  9. Show your love
  10. Ballad non sense
  11. Carpet bombing
  12. Kill for you
Gesamtspielzeit: 49:34 min

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Armin

2018-03-08 22:04:47- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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