Lo Moon - Lo Moon

Columbia / Sony
VÖ: 23.02.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Minutenakt

Im Forum von Plattentests.de tauschen sich Leser in einem der meistfrequentierten Threads tagtäglich aus über Alben, die sie gerade hören, bewerten und anderen Usern empfehlen. Im Januar 2018 geschah, was in unregelmäßigen Abständen passiert. Jemand kramt Talk Talk hervor und verschafft Band-Neulingen das jungfräuliche Erlebnis, deren Meisterwerk "Spirit of Eden" erstmals genießen zu können. Man darf es wohl bedenkenlos zu den besten Alben aller Zeiten zählen und hochachtungsvoll anerkennen, wie Mark Hollis Talk Talk so lange feinjustierte, bis er die Essenz von Art-Pop – und so viel mehr – auf Platte pressen konnte. Lo Moon hingegen stehen erst am Anfang ihrer Karriere. Die salbungsvolle Vorrede soll keine künstlich überhöhte Erwartungshaltung für "Lo Moon" schüren, aber es ist wohl kaum zu leugnen, dass sich das Trio aus Los Angeles mit den unterschiedlichsten Kapiteln der Talk-Talk-Diskographie befasst hat, inklusive der Synth-Pop-Anfangstage, und ihnen das niemand verübeln möchte.

Lo Moon kamen gefühlt aus dem Nichts. Im Herbst 2016 war da plötzlich "Loveless" und für lange Zeit nichts weiter. Ein knapp siebenminütiger Song mit in Slow motion shuffelnder Rhythmik, zeternden, halligen Gitarrenlicks, einer Art hölzernem Fingerschnippen, nebligen Synthies, im Refrain aufstampfenden Drums und Matt Lowells schwebender Stimme: "Take my hand / In belief we trace our steps / Understand / No relief in silhouettes." Es gibt auch eine editierte Version des Stücks, glücklicherweise aber haben Lo Moon für ihr gleichnamiges Debüt der längeren Version den Vorzug gegeben. Denn so entfaltet sich der Song erst richtig. Nach knapp vier Minuten scheint der Track auserzählt, dabei schlängeln sich erst jetzt die Synthies empor, fiebern Lo Moon erst jetzt zwei Minuten lang im Bad der Melancholie der finalen Eruption entgegen, in der dann auch die E-Gitarre Echos abwerfen darf. Es brennt, aber es brennt so schön.

Das Trio, zu dem neben Lowell noch Crisanta Baker und Samuel Stewart gehören, schüttelt beiläufig schwermütig schimmerende Hooks mit einem Hauch New Romantic der Achtzigerjahre aus dem Ärmel und versteht es, bei vordergründigem Minimalismus Fassaden bröckeln zu lassen. Gerade, wenn ein Track droht, zu sehr um die eigene Achse zu mäandern, kramen Lo Moon mindestens noch ein Hasenohr aus dem Hut. "Thorns" klöppelt beispielsweise mit Rhye-Soul auf den Skelett-Knochen von The xx, dabei gastieren hier Adam Granduciel und Chris Hall von The War On Drugs – Credits liegen noch nicht vor, wir bilden uns aber ein, sie hier herauszuhören – und tragen an Gitarre und Drums ihren Teil zur gelungenen Zusammenführung von Marimba und einem überraschenden Bläser-Part bei. Und auch die Harmonie der programmierten Beat-Patterns und eingegrätschten Licks im Finale von "TTMYMO" – das steht für "Try to make you my own" – entlohnt für jede Wartezeit.

Je weiter das Album voranschreitet, desto eher weicht auch der Grauschleier von den Kompositionen. Dort wartet mit "Real love" eine herrlich synthetische und eingängige Nummer im Fahrwasser von Depeche Modes "Precious". Gegen Ende allerdings kommt Lo Moon auf diesem ansonsten starken Debüt die Stichhaltigkeit ihrer Arrangements etwas abhanden. Nachdem "Camouflage" in der Atmosphäre umherdriftet, plötzlich eine Akustikgitarre auspackt und später sogar im Hintergrund Shoegaze erahnbar wird, fällt die anschließende Uptempo-Nummer "Wonderful life" mit dem Spagat von entschleunigten Dead Or Alive zu späten A-Ha ab. Und obwohl der Basslauf in "All in" sehr wohl zu gefallen weiß und Coldplay phasenweise nicht fern sind, kann das Stück den Zauber des Openers beispielsweise nicht mehr erreichen. Möglicherweise weil dort auch klarer Talk Talk Pate standen. Aber frei nach dem Eröffnungstrack. "This is it" – for now.

(Stephan Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • This is it
  • Loveless
  • TTMYMO
  • Real love

Tracklist

  1. This is it
  2. Loveless
  3. The right thing
  4. Thorns
  5. TTMYMO
  6. My money
  7. Real love
  8. Camouflage
  9. Wonderful life
  10. All in
Gesamtspielzeit: 49:25 min

Im Forum kommentieren

Kalle

2022-06-15 17:13:15

Herrliches Album! Immer noch.

Michael

2019-11-03 02:32:45

"Loveless" finde ich immer noch fantastisch. Gerade erst durch Zufall gelesen, dass Bandmitglied Sam Stewart der Sohn von Siobhan Fahey (von den göttlichen Shakespears Sister) und Dave Stewart (Eurythmics, na klar) ist.

Stephan

2018-02-25 18:42:34

Diese Rezension zu lesen hat genau so viel Spass gemacht, wie das Album zu hören.
Das freut mich zu lesen und hören :-)

Gabor

2018-02-23 18:44:45

Diese Rezension zu lesen hat genau so viel Spass gemacht, wie das Album zu hören. Beim Opener dieser mir bis heute unbekannten Combo dachte ich einen ziemlich langen ersten Moment, es sei ein "Feat.-Hollis-Song". Dann fand ich's fast ein bisschen unverschämt, dass die so unverblümt bei Talk Talk hingelangt haben. In Ergänzung zum Rezensenten hab ich noch gemeint, etwas Ozark Henry herausgehört zu haben ;-). Trotzdem: Das Album ist gut gemacht. Allerdings wette ich schon jetzt darauf, dass es bei mir nicht die Haltbarkeit eines The Colour of Spring, Spirit of Eden oder, völlig ausser Konkurrenz, Laughing Stock (das Teil, um der Welt gute 40 Minuten lang adieu zu sagen) erreichen wird.

XTRMNTR

2018-02-20 19:22:48

*mit

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