Marlon Williams - Make way for love
Dead Oceans / CargoVÖ: 16.02.2018
Wenn das Liebe ist
"Love will tear us apart", "Love rhymes with hideous car wreck" oder gar "Altes Arschloch Liebe" – Contra für das höchste aller Gefühle findet sich in der Musik zuhauf. In diesem Kontext wirkt der Titel "Make way for love" des zweiten Albums von Marlon Williams um einiges bejahender, jedoch nur oberflächlich. Denn schon der Blick auf die Tracklist reicht, um das entsprechende Yang zum Yin zu finden: "Love is a terrible thing". Mach Platz für diese unerbittlich erdrückende Walze an Gefühlen – so könnte man den Albumtitel auch umdeuten. "People tell me 'Boy, you got lucky' / But I feel just as lucky / As snowman in the spring." Williams trägt mit Sicherheit dick auf, hat jedoch auch allen realen Grund dazu. "Make way for love" ist die Verarbeitung der Trennung von seiner Lebensgefährtin Aldous Harding, ihres Zeichens selbst Musikerin. Und nachdem schon sein selbstbetiteltes Debüt eine vielversprechende Visitenkarte war, macht Williams den Sprung zur Riege der großen Liebeskummer-Werke.
Um den Kopf frei zu bekommen und "Make way for love" als Startrampe für einen Neuanfang zu nehmen, reiste der Neuseeländer mit Sack und Pack nach Kalifornien, um dort diese elf herzzertrümmernden Songs mit Produzent Noah Gorgeson aufzunehmen. Dieser hatte bereits Joanna Newsom und Devendra Banhart betreut und sorgt auch bei Williams für einen warmen, dennoch einnehmenden Klang. Die Backingband The Yarra Benders tut ihr übriges, hält sich weitestgehend im Feld zwischen Country und Soul zurück, um im entscheidenden Augenblick die Intensität umso wirkungsvoller zu erhöhen. Und da ist natürlich noch Williams selbst. Sein brüchiges, klagendes Timbre erinnert am ehesten an eine tiefer gestimmte Anohni, in jedem Moment vermittelt er Schwermut und Pathos. Das ist trotz der kompakten Laufzeit viel zu schlucken, denn auch wenn "Make way for love" musikalisch durchaus unterschiedliche Ansätze aufbereitet, kreist es in engen Kreisen um den Schmerz, das Verlustgefühl und die innere Leere.
So darf man bei "Party boy" keinesfalls eine stimmungsaufhellende Nummer erwarten. Auch wenn der Song flott daherkommt, liegt eine derangierte Aura über dem giftigen Angriff auf – ja, auf wen eigentlich? Ein Unbekannter, der auf Feten umherschleicht, eventuell der Nebenbuhler ist? "If I catch you sniffing around my pride and joy", droht Williams, mehrere Anläufe braucht er, um in seinem Eifersuchtswahn letztlich den Bogen zu überspannen: "You can party at the bottom of the sea." That escalated quickly! Der Kater danach folgt auf dem Fuße. "Can I call you" sinniert in eine hallende Leere hinein, wirft zwischen der wehmütigen Frage des Songtitels ständig unvernünftige Gedanken ins Geschehen. "What are you drinking? / Who's there with you?" Williams starrt an die Decke, unfähig, seinen Fokus von ihr zu nehmen und gelähmt von der Vorstellung, was sie wohl gerade macht. "I didn't make a plan / To break your heart", wird er später zugeben. Wer hat hier wen verletzt? "Make way for love" bleibt innerlich zerrissen, wie sein Protagonist. Das macht es glaubwürdig.
Nicht selten wirken die Songs wie aus der Zeit gefallen. Wäre das wunderschöne "I know a jeweller" mit seinen Streichern und dem einsam tutenden Keyboard ein verschollen geglaubter Hit aus vergangenen Jahrzehnten, würde man kaum Zweifel daran hegen. "I didn't make a plan" entwickelt sich von reduzierter Klaviernummer zu einem tragisch schleppenden Marsch und nimmt derweil mehrere musikgeschichtliche Fixpunkte auf einmal mit. Der emotionale Höhepunkt wartet in "Nobody gets what they want anymore". Williams duettiert mit der Ex, das Stück kommt jedoch ohne gegenseitige Anklage aus. Es ist eine ganz eigenartige Mischung aus Akzeptanz und Grimm, mit der sich Williams und Harding dem gemeinsamen Scherbenhaufen widmen. Durch den Refrain weht ein Hauch Versöhnung, der Titel wird mantraartig vorgebetet. Auch ohne den Bezugsrahmen ist der Song ergreifend – mit dem Wissen, dass hier zwei Menschen gegen ihren Liebeskummer ansingen, wird er beinahe erdrückend.
Der abschließende Titeltrack transportiert als Kontrast eine Spur von Optimismus und schafft einen wundervollen Abschluss des Spannungsbogens. Zu einem klassischen Walzer singt ein verhallter Chor das Geleit zum Ausgang. "Make way for love / Make way for love." Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, denn hier kommt ein Songwriter mit wahnsinnigem Talent und einem großartigen Gespür für Stimmung und Details. "Make way for love" wurde im Vorfeld schon in einem Atemzug mit Herzbruch-Meisterwerken wie "Blood on the tracks", "Sea change" oder "For Emma, forever ago" genannt – vollkommen zu Recht, wie sich nun herausstellt. Der 27-Jährige braucht sich vor keiner Koryphäe des Liebesleids zu verstecken. Make way for Marlon Williams.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Party boy
- Can I call you
- I know a jeweller
- Nobody gets what they want anymore (feat. Aldous Harding)
Tracklist
- Come to me
- What's chasing you
- Beautiful dress
- Party boy
- Can I call you
- Love is a terrible thing
- I know a jeweller
- I didn't make a plan
- The fire of love
- Nobody gets what they want anymore (feat. Aldous Harding)
- Make way for love
Im Forum kommentieren
derp
2018-06-12 22:28:19
Ende des Jahres nochmal in Deutschland zu sehen. Ich empfehle ihn nicht zu verpassen :)
7. November | Berlin
8. November | Leipzig
9. November | Heidelberg
Editor
2018-05-29 07:31:34
Danke.
Mittlerweile kann ich mit der Stimme und der Musik mehr anfangen. Aber soo richtig hat es mich noch nicht.
Party Boy trifft meinen Nerv.
Aber so ein Brett wie "Hello Miss Lonesome" vermisse ich diesemal.
maxlivno
2018-05-24 12:56:44
Meine sind:
Beautiful Dress
I Know A Jeweller
Nobody Gets What They Want Anymore
Editor
2018-05-24 07:49:38
Hab sie heute wieder mit im Auto.
Welche Lieder gefallen euch besonders?
Editor
2018-05-23 12:00:44
Schön für euch. Ich hab bislang keinen Zugang gefunden und das Ding mal weggelegt.
Schade.
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