Ought - Room inside the world

Merge / Cargo
VÖ: 16.02.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Bis es quietscht

Es stand mal wieder auf Plattentests.de – genauer gesagt über der Rezension zum leider im wahrsten Wortsinne letzten Album von The Fall: "Nicht totzukriegen". Dass das nicht der Wahrheit entsprach, wurde mit Mark E. Smiths Ableben Anfang 2018 bitter gewahr, und natürlich konnte Tim Darcy diesen tragischen Umstand bei den Aufnahmen zum dritten Ought-Longplayer nicht ahnen. Trotzdem ist es irgendwie ein tröstlicher Gedanke, dass der zu verächtlicher Nörgelei neigende Frontmann auf "Room inside the world" über weite Strecken verblüffend viel Kreide gefressen hat, nachdem der markanteste Grantler des Rock für immer verstummt ist. Im Vergleich dazu klang "The weather song" seinerzeit stimmlich tendenziell wie sieben Tage Wolkenbruch und das "Sun coming down"-Glanzstück "Beautiful blue sky" eher nach kanadischem Dauerherbst.

Was aber nicht bedeutet, dass beim Quartett aus Montreal trotz größerer Luftigkeit im Sound inzwischen alles eitel Sonnenschein ist: Wie auf den Vorgängeralben gehorchen die Songs einer klaren, beinahe strengen Struktur, wobei die Band peinlich genau darauf achtet, keinen Ton zu viel zu spielen. Und droht etwa ein vorwitziges Saxofon mit einem Ansatz von Extravaganz, kochen Ought die Veranstaltung sofort so weit herunter, bis wenig mehr als ein Gerüst aus synkopierten Drums und Brummelbass übrigbleibt. Denn wenn hier einer fürs Flamboyante zuständig ist, dann Darcy höchstselbst. Als Beleg dient vor allem die in diesem Umfeld fast verschwenderische Edelschnulze "Desire", bei der sich der Sänger vor einem Gospelchor als liebeskranker David Byrne inszeniert, den immer wieder spitze Licks in die vier Buchstaben pieksen. Schmerz lass nach.

Fast schon die größte Liederlichkeit, die sich "Room inside the world" leistet, sieht man vielleicht vom vergleichsweise verspielten, sich erst allmählich eingroovenden Opener "Into the sea" ab. Die Single "Disgraced in America" belegt dann jedoch vom Fleck weg einen Geometrie-Kurs, wo Albert Hammond Jr. Zirkeltraining und Winkelzüge auf der Sechssaitigen lehrt – von der Band sogleich in einen Darcys Solo-Ausflug "Saturday night" nicht unähnlichen Indie-Rocker umgesetzt, der allenfalls Spuren von Schluffigkeit enthält. Nicht so das an Chromes kreuzmonotonem Psych-Klassiker "Seeing everything (Emilia)" ausgerichtete "Disaffectation", das sich zwischendurch auf Ätzgitarre und Blubberorgel ausruht, oder der funky-minimalistische Elektro-Klopfer "These 3 things" – drahtiger waren auch Wire in ihren Glanztagen nicht.

Einer der wenigen Momente eines so präzisen wie überzeugenden Albums, bei denen von dem früher deutlich präsenteren Post-Punk kaum noch die Rede sein kann – es sei denn, man meint mit diesem Begriff die akkuraten Harmonien, die Maximo Parks "A certain trigger" zur XTC-Reinkarnation in Schlips und Kragen machten. Und ist es gar Noise-Rock, wenn "Take everything" nach trügerisch laszivem Beginn rabiat die Riffs plärren lässt und mit den Rückkopplungen verhandelt, bis es quietscht? Falls ja, wäre Mark E. Smith sicher angetan gewesen – und zu den Songs, die gesangliche Grandezza mit breitbeinigem Vaudeville und Kraut-Gestampfe koppeln, hätte er zumindest etwas vom "elastic man" gegrummelt. Vielleicht die wichtigste Lektion von "Room inside the world": Flexibilität ist alles – dann gibt's auch nichts zu meckern. Ganz im Gegenteil.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Disgraced in America
  • These 3 things
  • Take everything

Tracklist

  1. Into the sea
  2. Disgraced in America
  3. Disaffectation
  4. These 3 things
  5. Desire
  6. Brief shield
  7. Take everything
  8. Pieces wasted
  9. Alice
Gesamtspielzeit: 40:11 min

Im Forum kommentieren

saihttam

2021-11-04 11:17:57

Och wie schade! Eine meiner Lieblingsbands der letzten Jahre! Alle drei Alben sind super. Hatte ja vor ein paar Jahren mal ein Konzertticket von ihnen. Allerdings wurde das Konzert dann spontan wegen Krankheit abgesagt. Habe mich mega geärgert und seitdem gehofft, dass sie mal wiederkommen. Das wird wohl nicht mehr passieren. Blöd!

Der Song der neuen Band macht aber zumindest Hoffnung, dass es ähnlich weitergehen könnte.

Zu faul zum einloggen

2021-11-03 16:24:36

Band hat sich aufgelöst.

https://consequence.net/2021/11/ought-break-up-cola-blank-curtain-stream/

Neue Band "Cola":

https://www.youtube.com/watch?v=odpAsB6Umf0

MM13

2018-02-21 18:35:53

warum eigentlich,wie gesagt ich kannte sie überhaupt nicht und hab jetzt mal in die anderen alben reingehört,ich finde der neue sound hat ihnen richtig gut getan.soviel 80er ist das gar nicht.

noise

2018-02-20 22:34:53

Halte es mit "wilson". Die ersten beiden sind richtig gute interesante Alben. Dieses hier scheint auf 80er Jahre getrimmt zu sein. Sagt mir nicht besonders zu. Brauche ich auch nicht.

wilson (ausgeloggt)

2018-02-20 16:45:33

die ersten beiden alben habe ich mir gekauft. für "room inside the world" werde ich wohl kein geld ausgeben.

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