Joan As Police Woman - Damned devotion

PIAS / Rough Trade
VÖ: 09.02.2018
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Drum's not dead

Schlagzeuger sind die Schiedsrichter des Musikgeschäfts. Keinem anderen Teil der klassischen Bandbesetzung schlägt so viel Undankbarkeit entgegen, als Taktangeber bilden sie das Fundament eigentlich jeden Songs, doch auf der Bühne gehen sie unter, Wertschätzung kommt meistens nur von den Hardcore-Fans, und wenn mal alles nicht ganz so sicher sitzt, hauen sie plötzlich alle drauf auf die Lars Ulrichs und Arne Zanks dieser Welt. "It's just gospel that the music is only as good as the drummer", sagt Joan Wasser a.k.a. Joan As Police Woman zu dieser Thematik. Nicht nur wäre solch ein Satz von einer gelernten Violinistin nicht unbedingt zu erwarten gewesen, es ist sogar noch überraschender, dass auch die Musik auf ihrem nunmehr fünften Studioalbum "Damned devotion" ihren Fokus zu großen Teilen auf die Rhythmik legt. Wo Wasser ihren Drummer Parker Kindred auf dem souligen Vorgänger "The classic" noch mit Reggae-Legende Sly Dunbar verglichen hat, greift eine solche Genre-Einschränkung mittlerweile viel zu kurz.

Der Großteil der zwölf Songs fußt auf von Kindred live eingespielten Drum Patterns, die Wasser dann am Computer editiert, dabei mit Synkopen und anderen rhythmischen Gestaltungsmitteln gearbeitet und über das Resultat dann, von sich selbst am Bass und Thomas Bartlett an Klavier und Keyboard begleitet, ihre Songs gelegt hat. Was auf dem Papier überexperimentell und -ambitioniert klingt, schlägt sich in ihrem gleichermaßen zugänglichsten wie nachdenklichsten Album überhaupt nieder, das die Live-Energie des Vorgängers beibehält und trotzdem mit seiner zarten Verletzlichkeit an die Melancholie von "To survive" erinnert. Widersprüchlichkeit war schließlich schon immer zentrales Merkmal dieser sich jeder Kategorisierung entziehenden Künstlerin, wer das noch immer nicht glaubt, braucht sich nur das doppelte Herzstück aus "The silence" und "Valid jagger" anzuhören: Ersteres lässt seinen rastlos treibenden Beat von "Women's-March"-Protestrufen und einer bis zur Unkenntlichkeit verzerrten Gitarre irgendwann komplett zerschießen, letzteres braucht mit seiner tief berührenden Intimität die rauschhafte Piano-Explosion am Ende gar nicht, weil der Mund da sowieso schon längst offen steht.

Musikalische Virtuosität und Wassers menschliche Wärme und Zerbrechlichkeit stehen immer dicht nebeneinander, aber sich nie im Weg, die 47-Jährige weiß genau, wann sie ihren perkussiven Experimenten und wann ihrer Stimme und ihren Geschichten Raum geben muss. Ihre Liebe zum Soul, die nie in allzu simple Nostalgie verfällt, ist dabei noch immer zu spüren, vor allem in den zurückhaltenden Eröffnungstracks. "Wonderful" und "Warning bell" geben sich als die introvertierten Liebeskinder von St. Vincent und Marvin Gaye aus, überzeugen mit fantastischen Melodien und veträumt-melancholischer Lyrik über die gleichsam schöne wie gefährliche Naivität des Verliebtseins. "Tell me" borgt sich seinen Refrain aus dem R'n'B der 90er und versucht, mit seiner Dringlichkeit schon mal auf die Zugkraft vorzubereiten, die "Damned devotion" noch entwickeln wird. Zugegebenermaßen gelingt das nur so halb, denn das dem französischen Dichter Jean Genet gewidmete "Steed" überrollt den Hörer regelrecht, lässt ein nervös zuckendes Saxophon und am Ende scheinbar jedes Percussion-Instrument, das noch irgendwo im Studio herum stand, auf ihn los.

Nach der Portishead-Schwebe von "Rely on" hat sich Wasser zur Eröffnung des Schlussdrittels einen ihrer besten und bewegendsten Songs überhaupt ausgesucht: In "What was it like" erzählt sie von ihrem kürzlich verstorbenen Adoptivvater, zeigt sich dankbar für seine Fürsorge und Sensibilität, macht aber gleichzeitig keinen Hehl daraus, dass sie ihn trotz allem nie wirklich kannte. Es ist diese Zerrissenheit, die "Damned devotion" zum bisherigen Meisterstück der Amerikanerin macht, die Balance zwischen überbordernder Kreativität und unter die Haut gehender Nahbarkeit war nie so perfekt wie hier. "I don't mind saving all of you all the time / But I can't deny that I have left myself behind", singt sie im finalen "I don't mind". Bei all ihrer titelgebenden Aufopferung und Hingabe für die Musik wird Wasser hoffentlich irgendwann auch die Ruhe finden, sich selbst zu retten.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Wonderful
  • Steed (for Jean Genet)
  • The silence
  • Valid jagger
  • What was it like

Tracklist

  1. Wonderful
  2. Warning bell
  3. Tell me
  4. Steed (for Jean Genet)
  5. Damned devotion
  6. The silence
  7. Valid jagger
  8. Rely on
  9. What was it like
  10. Talk about it later
  11. Silly me
  12. I don't mind
Gesamtspielzeit: 43:19 min

Im Forum kommentieren

afromme

2018-02-11 02:14:01

So, nun endlich die ersten zwei Hördurchgänge hinter mit.
Gefällt mir sehr. Fantastisch produziert und arrangiert, muss ich auch sagen. Die etwas angeschrägten Chöre, die im Nachhinein für mich viel an The Magic ausgemacht haben, ziehen sich durchs Album, ebenso wie kleine programmierte Spielereien und dunkle Klavierläufe.

lol

2018-02-08 19:17:39

Was für eine alte Frau!

Armin

2018-02-08 19:14:11- Newsbeitrag

afromme

2018-02-03 02:32:26

...die Rezi scheint ja immerhin anzudeuten, dass das Album mehr groovt als die erste Single. Mal hören nächste Woche.

Früger

2018-02-02 16:44:37

Groove = Rhythmus = wie passt das dann zur Rezi??

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