Erik Cohen - III

RYL NKR / Rough Trade
VÖ: 26.01.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Holstein viel

Erik Cohen wollte schon immer eine Stadionhymne schreiben. Zumindest gab er das einmal in der Fan-Zeitung von Holstein Kiel zu Protokoll, als der Traditionsverein noch in den Niederungen des deutschen Fußballs zu kicken pflegte – einige Monate zuvor hatten die Norddeutschen in letzter Minute den Zweitliga-Aufstieg per Relegation verpasst. Immerhin war da mit "Dirigent" bereits ein Song aus Cohens Debüt "Nostalgie für die Zukunft" in der Holstein-Dokumentation "Westring 501" als Titelmusik vertreten gewesen, und bei Erscheinen von "III" liebäugelt der Club inzwischen heftig mit der höchsten deutschen Spielklasse. Mithin höchste Zeit für die angekündigte Hymne – und da ist sie schon: "Englische Wochen" geht mit vibrierendem Twang, schnittigem Basslauf und westtribünenfähigem Gejohle in die Offensive und feiert frenetisch die Publikumsdynamik des runden Leders: "Abwehrrecken im Unterhaus / Die Kurve schneidert Legenden draus." Und wichtig is' auf'm Platz genauso wie auf Platte.

Freunde des Vorgängers "Weißes Rauschen" müssen also eine ganze Weile auf ein Stück warten, das wie "Hier ist nicht Hollywood" mit New Wave kumpelt und genauso Simple Minds wie Billy Idol inhaliert hat – und haben bis dahin bereits einen ganzen Laderaum harten, aber herzlichen Seebären-Rock intus. Allen voran den knackigen, die Romantik der Bandenkriminalität verhandelnden Opener "Mexikanische Lieder", dessen zwirbelndes Riff sich eingangs partout nicht zwischen "Paranoid" und "Joker & the thief" entscheiden kann. Und das auch gar nicht muss, weil diese beiden Pole die verstärkte Stromgitarren-Fixierung von "III" gleichermaßen treffend illustrieren. Blutrausch und Liebe, Sonne und steife Brisen, Doom Metal und Hardcore-Punkrock – bei so viel kerniger Energie in den durchweg vorlauten Songs muss sogar der "Fährwolf" die Stimme erheben, wenn er Spukgeschichten von Schiffsgeistern erzählt und der Sensenmann auf "Fehmarn" am Strand wartet. Doch ob sein Griff so rigoros ist wie dieses Album?

Das lässt nämlich auch nach der Hälfte nicht locker: "Hart am Overkill" rast titelgemäß genauso im roten Bereich durch die räudige Garage, wie "Spur der Steine" gleich mehrere Bezirke der Hauptstadt lautstark unsicher macht. Bei "Belphégor" fährt gar wenn nicht der Leibhaftige, dann doch immerhin Horror-Autor Jason Dark im Tourbus mit, während im Radio Glenn Danzig gerade "Mexico" von den Les Humphries Singers covert. Dass Cohen und seine stets entschlossen Gas gebende Band dieses Tempo nur etwas länger als eine halbe Stunde durchhalten, schadet diesem höllisch kompakten Schwitzkasten von einem Album keineswegs – im Gegenteil: Dampft "Gladiator" zum Schluss sämtliche Vorzüge von "III" mitsamt gerolltem R zu einem ungeheuer konzentrierten Death-Rocker ein, wird klar, wie viel knirschige Power der Kieler inzwischen auf engem Raum unterzubringen in der Lage ist. Weniger Fett, mehr Muskeln – zehn Bier zu viel gibt es schließlich in der nächsten Englischen Woche schon wieder.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Mexikanische Lieder
  • Fehmarn
  • Englische Wochen
  • Gladiator

Tracklist

  1. Mexikanische Lieder
  2. Sonne
  3. Fährwolf
  4. Fehmarn
  5. Englische Wochen
  6. Hart am Overkill
  7. Spur der Steine
  8. Belphégor
  9. Altes Feuer
  10. Gladiator
Gesamtspielzeit: 36:11 min

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Armin

2018-01-25 21:20:30- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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