
No Age - Snares like a haircut
Drag City / H'ArtVÖ: 26.01.2018
California screamin'
Anfängliche Zusammenfassung der groben Eindrücke: Der erste Blick aufs Cover sorgt für ein gewisses Hungergefühl – und macht Bock darauf, mit Essen zu spielen, um es in irgendwas Albernes zu verwandeln, das man später dann mit verstecktem Augenzwinkern Kunst nennt. Aber ist "Snares like a haircut", das fünfte Album der kalifornischen Noise-Rocker von No Age, auch selbst wirklich Käse? Ach was. Als zweites wird die Pressemitteilung überflogen, ein kleines Satzfragment darin sticht besonders hervor: "Rock and roll for the black hole" – abgesehen vom Wohlklang dieses schönen Reims regt es kurz zum Nachdenken an. Schwarze Löcher? Aus denen jegliche Materie nicht mehr entkommen kann? Der dritte Eindruck kommt von "Snares like a haircut" und der Band selbst, Hördurchgang für Hördurchgang für Hördurchgang. Wenn No Age nun wirklich Musik für Schwarze Löcher machen, wird der bedrohliche Teil beeindruckend winzig. Mehr noch: Da fühlt man sich glatt besser.
Der Nachfolger des 2013 veröffentlichten "An object", der gleichzeitig Randy Randalls und Dean Allen Spunts Wechsel von Sub Pop zu Drag City einläutet, ist abermals in No Ages Historie ein Album für Außenseiter. Ein Album für all jene, die sich tatsächlich ein einem Loch gefangen – oder ganz unten am Abgrund angekommen – fühlen, von Dunkelheit umgeben, von Kälte, von dem Gefühl der Einsamkeit. Es ist auch wieder ein Ventil: Wenn sich "Send me" vom Post-Punk bepöbelt selbst in die Ecke drängt und immer wieder flehend die Frage "Where should I go" in den leerem Raum ruft, berührt das aller Schrammeligkeit zum Trotz ebenso sehr wie der stürmische Garagenputzer "Soft collar fad" oder auch das geradezu wütende, um sich spuckende "Stuck in the changer". Das Signal ist eindeutig: No Age haben nach dem noisigen Lo-Fi ihrer Anfangstage und dem akzentuiertem Kunstprojekt des letzten Werkes ihre Nische gefunden.
Dementsprechend breitet sich das Duo selbstbewusst aus. Und was für ein Fest es ist, dabei zu sein: Der grandiose Opener "Cruise control" schafft es, sogar zwischen viel Lärm so etwas wie eine traumartige Atmosphäre aufzubauen und den Putz dennoch von den Wänden zu spielen. Das fast dreiminütige Instrumental "Third grade rave" überzeugt durch den beinahe ohrenbetäubenden Kraftakt, der sich zwischen Gitarre und Schlagzeug bildet, und "Drippy" sowie "Secret swamp" sind genau die euphorisch-poppigen Sommerhits, die man im Winter braucht. Wie verstrahlt Randall und Spunts aber nach wie vor sind, zeigt etwa kurz vor Schluss das nicht ganz saubere "Squashed", das zudem vielleicht die wichtigste Zeile für alle jene Außenseiter hat, die sich hier verstanden und von einem Sprachrohr präsentiert fühlen: "I've got some reasons / I feel lucky to be me." Egal, ob Schwarzes Loch oder tiefster Abgrund: Mit solcher Musik auf den Ohren lässt es sich auch unten gut aushalten und so manches Mal sogar leicht zynisch nach oben winken.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Cruise control
- Stuck in the changer
- Send me
- Squashed
Tracklist
- Cruise control
- Stuck in the changer
- Drippy
- Send me
- Snares like a haircut
- Tidal
- Soft collar fad
- Popper
- Secret swamp
- Third grade rave
- Squashed
- Primitive plus
Im Forum kommentieren
saihttam
2018-11-07 18:21:52
Irgendwie hab ich die Platte über das Jahr hinweg total vergessen, obwohl ich sie beim ersten Hören sehr gut fand. Danke für die Erinnerung!
slowmo
2018-11-07 14:39:43
Fande die Nouns sehr stark. Die neue gefällt mir bisher auch richtig gut. Könnte es in die engere Auswahl der Jahreshighlights schaffen.
Gordon Fraser
2018-06-17 16:48:55
Hör's immer noch ganz gerne.
Gnom
2018-01-24 11:00:23
Super review, gute Vorstellungskraft!
wilson (ausgeloggt)
2018-01-20 17:09:54
@zurueck_zum_beton:
bester laden, beste leute!
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