Jeff Rosenstock - Post-

Specialist Subject / Polyvinyl
VÖ: 01.01.2018
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Frohes neues Ja

Ist es schon zu spät für alles? Bald ist es über ein Jahr her, dass ein ignorantes Trumpeltier Einzug im Weißen Haus gehalten hat. Seitdem gehen internationale Beziehungen und soziale Gerechtigkeit den Bach runter, Rassismus und Diskriminierung scheinen plötzlich wieder salonfähig. Aber ein ordentlicher Teil der US-Bevölkerung hält da entschieden dagegen. Wokeness, #MeToo. Und Jeff Rosenstock ist mit dabei. Der betitelte 2016 sein tolles zweites Album "Worry." in prophetischer Manier und haute nun pünktlich zum Neujahrstag 2018 den Nachfolger "Post-" raus. Nach dem bekannten Pay-what-you-want-Modell – wer nicht zahlen will, muss nicht. Allein deshalb hat der aus Long Island stammende 35-Jährige Applaus verdient. Doch weitaus schöner ist noch, dass "Post-" ein verdammt passendes Manifest zum Jahresanfang ist. Eines, nach dem man sich richten sollte – nein, muss.

"You promised us the stars / And now we're tired and bored", heißt es mit kräftiger Backgroundchor-Unterstützung im Finale des epischen "USA", welches gleich zu Beginn der Platte die Blaupause des Kernthemas auslegt. Vorher ist der Song bereits von krachigem Punkrock in verträumtes Keyboard-Summen eingetaucht und wie ein Phoenix in majestätischer Manier zurückgekehrt. Selbst Titus Andronicus hätten nicht mehr Drama aus diesen mehr als sieben Minuten herausholen können. "Et tu, USA?" fragt die Meute in den letzten Sekunden und es wurde bereits diskutiert, ob es Zufall ist, dass der Chant wie "F. U. USA" klingt. Doch Verbitterung und Resignation ist nicht Rosenstocks Abteilung. "Post-" strotzt vor Tatendrang und Optimismus, gibt sich nicht mit dem Status Quo zufrieden. In Hinsicht auf den Vorgänger möchte man es eher "Post-Worry" nennen.

So fragt das nachfolgende "Yr throat" zu galoppierendem Rhythmus "What's the point of having a voice / When it gets stuck inside your throat?" Das sitzt, das knallt, das passt auf jedes Transparent. Rotzig schießen Rosenstocks Kompositionen aus den Boxen, angetäuschte Ruhephasen wie "TV stars" können spätestens auf der Hälfte des Weges nicht mehr an sich halten und präsentieren sich quasi als Lo-Fi-Ausgabe eines Father-John-Misty-Dramas. Nicht nur heißt ein Song "Beating my head against the wall", er fühlt sich auch so an. Was verständlich ist, behandelt er doch mit seinen Textwiederholung das sinnlose Im-Kreis-Drehen in gesellschaftlichen Diskussionen mit Andersdenkenden. Es verwundert da schon beinahe, wenn in der Beziehungs-Sinnkrise und Wunschwertungs-Forderung "9/10" das Politische zwischen Bekifftheit und unangenehmem Augenkontakt in der U-Bahn außen vor bleibt: "It's almost like I miss you."

Rosenstock nimmt sich eben zwischendurch Zeit, den Protest zurückzufahren und hält genau damit die inhaltliche Dynamik über die gesamte Spielzeit aufrecht. Wie es sich jedoch für ein Pamphlet der Marke "Post-" gehört, steht am Ende das am dicksten gemalte Ausrufezeichen. "Let them win" schaufelt sich ganze elf Minuten auf die Uhr und verzichtet dennoch auf lange Einleitungen und großes Gestikulieren. Die Ansage "They're not gonna win again" bedarf keiner weiteren kontextuellen Erklärung und die Platte endet mit mehreren Minuten harmonischem Synth-Summen – einem Happy End? Jammern war gestern, im neuen Jahr geht es bergauf. Und das ist, warum sich "Post-" so wichtig und befreiend anfühlt, zum richtigen Zeitpunkt in die richtige Welt veröffentlicht, dennoch allgemeingültig genug, um auch in einer Post-Trump-Welt relevant zu sein. Bezeichnend sind deshalb die letzten Worte des Albums: "We're not gonna let them win / Fuck no." Es ist noch nicht zu spät für irgendwas.

(Felix Heinecker)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • USA
  • Yr throat
  • TV stars
  • Let them win

Tracklist

  1. Mornin'!
  2. USA
  3. Yr throat
  4. All this useless energy
  5. Powerlessness
  6. TV stars
  7. Melba
  8. Beating my head against a wall
  9. 9/10
  10. Let them win
Gesamtspielzeit: 40:11 min

Im Forum kommentieren

Felix H

2018-07-20 08:28:31- Newsbeitrag

Armin

2018-01-11 21:55:13

Korrigiert, danke.

Wrong Turn

2018-01-11 21:39:50

Link führt zu Porches

Armin

2018-01-11 21:29:33- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Plattenbeau

2018-01-08 16:00:50

Der Vorgänger scheint mir im Moment einen Tick dynamischer und abwechslungsreicher zu sein. Dennoch sind auch auf dem neuen Album jede Menge griffige Hooks.

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum