
Linkin Park - One more light live
WarnerVÖ: 15.12.2017
Der Nachruf verhallt
Die Pietät verlangt Zurückhaltung. Viel wurde geschimpft auf Linkin Park – schon immer, klar, aber besonders nachdem sie mit "One more light" den Pop wirklich vollumfänglich umarmten. Auch der Rezensent gehörte dazu. Und dann nahm sich Frontmann Chester Bennington am 20. Juli 2017 das Leben. Unerwartet? Die Depressionen waren lange bekannt, dennoch hatte niemand so wirklich die Probleme ernst genommen. Die Bestürzung war groß, Nachrufe wurde geschrieben, das Gesamtwerk re-evaluiert. Steckte hinter den Texten doch mehr als nur klischeebeladener Emo-Standard? Hat man zu oft darüber hinweg gehört? Wie geht es eigentlich Gerard Way oder Jacoby Shaddix? Die Zusammenfassung der letzten Tour in Form von "One more light live" muss sich nun mit der Bürde herumplagen, das letzte Vermächtnis der Band mit Bennington zu sein.
Man wünscht sich förmlich, dass diese Liveplatte noch einmal alle Register zieht, dass sie zeigt, welch kompakte Hits die Band im Laufe der Zeit zustande brachte – und natürlich, wie ausdrucksstark Benningtons Gesang und Stimme waren. Leider, leider macht "One more light live" aber bereits mit der Songauswahl einen dicken Strich durch die Rechnung. Die Hälfte der 16 Stücke stammt vom gleichnamigen, misslungenen Studioalbum, auf spannende Neuarrangements verzichtet die Band weitestgehend. Es ist zwar begrüßenswert, dass der Sound des Mitschnitts ein paar Iota weniger poliert daherkommt als auf vorigen Livealben, dafür scheinen Linkin Park von vornherein jedoch bei der Bühnenumsetzung jegliche Kante zu umschiffen. Von den alten Songs fallen stellenweise alle Gitarrenspuren ab oder diffundieren in die Hintergrundbeschallung.
So kommt es wie es kommen muss: Nach einem einigermaßen stimmungsvollen Intro kündigt ein furchtbar klebriger Eurodisco-Synth den Opener "Talking to myself" an. Der erste Mitklatschpart lässt nicht lange auf sich warten. Wenn Bennington "Nobody can save me" als einen sehr persönlichen Song ankündigt, möchte man ihm das eigentlich unbedingt glauben, aber die nach wie vor erdrückende Belanglosigkeit des Songs holt schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. "Invisible" zeigt, dass Mike Shinoda live genauso austauschbar singt wie auf Platte. Immerhin bringt Stormzys Gastauftritt in "Good goodbye" ein wenig Bewegung in die Show. Trotzdem schafft das vorliegende Livealbum an keiner Stelle, neue, positive Argumente für eine Neubewertung von "One more light" zu finden. Im immerhin passablen "Heavy" kurz vor Ende hängt "Why is everything so heavy?" als Frage lediglich eindrucksvoll im Raum. Was vielleicht mehr dem Kontext geschuldet ist, aber wenigstens ein Anflug von Gänsehaut ist da.
Der klavierballadige Titeltrack von "One more light" bleibt dagegen auch live das absolute, einsame Highlight des neueren Reigens, gefolgt wird er von einer Piano-Version des alten "Hybrid theory"-Gassenhauers "Crawling", bei der Benningtons Organ besonders zur Geltung kommt. "What I've done" funktioniert dagegen auch ohne große Variation gut, bei "In the end" übernimmt das Publikum gleich komplette Gesangspassagen alleine. Plötzlich hört man auch wieder ein paar Gitarren im Soundbild, die zuvor bei "Burn it down" oder "Leave out all the rest" noch vermisst wurden. Es hilft dennoch alles nichts: "One more light live" kann dem Talent von Bennington nicht gerecht werden und scheitert deshalb an der Bedeutungsaufladung. Zu statisch bleibt diese Masse, zu selten gibt es berührende Momente. Wie unangemessen für den Anlass.
Highlights & Tracklist
Highlights
- One more light
- Crawling
- What I've done
- In the end
Tracklist
- Talking to myself
- Burn it down
- Battle symphony
- New divide
- Invisible
- Nobody can save me
- One more light
- Crawling
- Leave out all the rest
- Good goodbye (feat. Stormzy)
- What I've done
- In the end
- Sharp edges
- Numb
- Heavy
- Bleed it out
Im Forum kommentieren
ironsea2006
2017-12-19 11:50:53
Im Leben, auf der Höhe der Zeit und der Realität angekommen. Das Album „One More Light“ ist hochgradig genial und unterhält ... das was Musik normalerweise auch soll. Es sind die Soundtracks unseres endlichen Lebens, und es steht jedem frei das zu honorieren oder nicht. Vor jedem von uns läuft ein anderer Film ab, in dem Moment wenn der letzte Ton verhallt ist.
Girarre
2017-12-15 23:21:12
UnionJack hat gerade wohl eher eine Karaffe in der Hand.
Felix H
2017-12-15 23:15:58
Weiß nicht, was du genau meinst, aber da ich sowohl Gitarre als auch Giraffe in der Hand hatte, bin ich nach deiner Logik offenbar befugt, das zu entscheiden.
UnionJack
2017-12-15 22:53:59
Das misslungene Studioalbum!? Wer entscheidet das? Ihr? Arroganz ohne wahrscheinlich jemals eine Girarre in der Hand gehabt zu haben!
Neuer
2017-12-14 12:42:54
Ich dachte eigentlich Shinoda hätte vorrangig die Texte geschrieben
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