Peter Broderick - All together again

Erased Tapes / Indigo
VÖ: 17.11.2017
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Mondscheintarif

Der Winter: kalt, grau, beizeiten nass, fast immer ungemütlich. Die Nacht: ruhig, gespenstisch, beizeiten unheimlich, garantiert immer dunkel. Gut, außer vielleicht in Skandinavien oder so. Trotzdem eine gute Mischung, wenn man es melancholisch mag und ab und zu eine Rückzugsmöglichkeit braucht. Die beiden sind eine Paarung, die man sich mit etwas Kerzenlicht schönreden kann. Eine, die sich unter der Decke gut aushalten lässt, oder mit einer Tasse Tee am Fenster sitzend. Bei Winter und Nacht kommt zusammen, was zusammen gehört. Fehlt nur die musikalische Untermalung. Und ein noch besser zusammenpassendes Dreiergespann als Winter, Nacht und Peter Broderick dürfte es in den kühlen Monaten zwischen den Jahren 2017 und 2018 kaum geben, und auch danach sollte sich "All together again" als mindestens angemessener Soundtrack etablieren können – so zumindest die Plattentests.de-Zukunftsprognose. Denn das neue Album des 30-jährigen Multiinstrumentalisten aus Portland, Oregon entführt nicht nur hinaus in die dunkle, kalte Winternacht, sondern stellenweise sogar rauf zu den Sternen.

Broderick selbst beschreibt das Werk, dessen neun Songs über mehrere Jahre hinweg entstanden sind, als Rückkehr zu seinen eigenen Anfängen. Ganz unwahr ist das nicht: "All together again" überzeugt durch seine Mischung aus ganz und gar irdischen Folk-Elementen und vollkommen aus Zeit und Raum geratenen Electronica-Tönen, hier und da gesellen sich sogar kleinere Post-Rock-Spielereien dazu. Obendrein hat der Mann jedes Instrument selbst eingespielt und sogar das Artwork aus verschiedenen Papierschnipseln selbst gebastelt. Aber immer mit der Ruhe und von Anfang an – denn ebendieser hat es in der Tat in sich: Der Opener "If I were a runway model" startet als fast schon klassisch anmutende Streicherballade, entwickelt sich dann zu einer gemächlichen Ambientnummer und wartet zu allem Überfluss mit einer gewaltigen Spielzeit von über zwölf Minuten auf. Dennoch – dennoch! – ist das gute Stück gerade mal das drittlängste des Albums.

Brodericks winterliche Reise ins Weltall zum Mondscheintarif ist wahrlich keine solche, bei der es sich gemütlich aus dem Fenster schauen oder dösen lässt, obgleich einige der Melodien zumindest versuchen, zum Träumen einzuladen. Dass die Songs aus Wünschen zu bestimmten Anlässen komponiert wurden, hört man ihnen stets an: "The walk" etwa begleitete einst eine Braut auf dem Gang zum Altar, mit hochdramatischem und doch grazil-beruhigendem Geigensolo, während die Lagerfeuer-Folk-Komposition "Emily" der besungenen Dame zum ersten Hochzeitstag geschenkt wurde: Die Aufregung ist verflogen, die Liebe zum Glück geblieben, Euphorie baut sich langsam auf, der Ausbruch weicht vertrauter Zweisamkeit.

Und klar sind auch ein paar waschechte Film-Arrangements zu hören, so etwa das düstere "Seeing things" oder "Robbie's song", welches sich Sekunde für Sekunde etwas mehr ausbreitet, jeden Meteoriten zum Bersten bringt und am Ende im laut- und schwerelosen Raum verschwindet. Das große Highlight von "All together again" und dieses im besten Sinne unflotten Dreiers bestehend aus Winter, Nacht und Broderick ist aber der 17-Minüter "A ride on the Bosphorus", das einst zur Untermalung eines Fährentrips in Istanbul produziert wurde. Eigentlich drei Stücke in einem, startet es zunächst etwas schleppend, transformiert sich aber alsbald zur durchaus tanzbaren Befreiungshymne, nur um schließlich wie ein glasklar zu erkennender Sternenhimmel für Sicherheit zu sorgen und den Weg zu leiten. Ob auf der Erde oder im Weltall spielt da kaum noch eine Rolle. Hauptsache, die drei angenehmsten Passagiere sind mit an Bord.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • If I were a runway model
  • Robbie's song
  • A ride on the Bosphorus

Tracklist

  1. If I were a runway model
  2. Robbie's song
  3. A ride on the Bosphorus
  4. Emily
  5. Our future in wedlock
  6. The walk
  7. Atlantic
  8. Seeing things
  9. Unsung heroes
Gesamtspielzeit: 67:00 min

Im Forum kommentieren

Felix H

2017-12-03 11:37:07

Mach ich mal.

Quirm

2017-12-03 10:45:34

Äh...."A Ride on the Bosphorus" natürlich. :-)

Quirm

2017-12-03 10:44:15

Ja, guter Mann. Kann ja mal einer das Video zu "A Ride in the Bosphorus" hier rein stellen.
Find auch gut, das der hier immer noch rezensiert wird. Hat sehr viele schöne Sachen gemacht. :-)

AndreasM

2017-12-02 14:06:31

Gefällt mir auch sehr gut, insbesondere die sehr langen Stücke!

Armin

2017-11-30 22:35:38- Newsbeitrag

Frisch rezensiert. "Album der Woche"!

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