Philip Selway - Let me go: Original music from the film by Polly Steele

Bella Union / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 15.09.2017
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Schlagzeug war gestern

Der Philip macht den Jonny. Kollege Greenwood hat sich mittlerweile als Komponist geigenschwangerer Filmsoundtracks im Geiste Pendereckis mehr als verdient gemacht. Nun zieht der Radiohead-Schlagzeuger nach. Für den britischen Film "Let me go", der eine mehrere Generationen umspannende Familiengeschichte von Verlust und Verlassenwerden erzählt, komponierte er die Musik und beschreitet damit gänzlich neue Wege. Waren seine beiden bis dato erschienenen Solowerke eher im Singer-Songwriter-Bereich zu verorten, wagt Selway nun den Schritt ins Ungewisse. Zwar schimmern noch immer folkige Elemente hervor, die meisten Stücke auf "Let me go" werden jedoch von Streich- und Tasteninstrumenten getragen. Dem Glatzkopf ist hierbei ein überraschend geschlossenes und berührendes Werk gelungen, das auch ohne begleitendes Bildmaterial hervorragend funktioniert.

Die Grundstimmung ist, dem Sujet angemessen, melancholisch und trist. Langsam dahinwabernde Flächen und gezielt eingesetzte Melodietupfer bilden die Basis für Selways Arbeit. Immer wieder kommt die singende Säge zum Einsatz, was der Musik einen unwirklichen und stellenweise beklemmenden Charakter verleiht. Die meisten Tracks bleiben instrumental, die wenigen konventionellen Songs wissen jedoch zu überzeugen. So ist das Titelstück eine getragene Klavierballade, die von Selway eingesungen wurde und aufgrund ihres synkopierten Rhythmus' ein wenig an den "Pyramid song" erinnert. Dass der Mann gut bei Stimme ist, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben – so wunderschön wie hier hat er jedoch noch nicht gesungen.

Unbestrittener Höhepunkt ist indessen "Walk", für welches Selway Louise Rhodes von Lamb als Gastsängerin gewinnen konnte. Der tieftraurige Song beginnt als zurückhaltende Trip-Hop-Ballade und endet mit großer Geste. Immer drängender wird das Streicherarrangement, während Rhodes' Stimme für Gänsehaut sorgt. Zwar ist der Soundtrack in der Summe bei weitem nicht so intensiv wie "Walk", spannend und kohärent bleibt er allerdings in ganzer Länge. Die immer wieder eingestreuten minimalistischen Verschnaufpausen wie "Snakecharmer" oder "Mine" rücken die ausladenderen Kompositionen ins rechte Licht, indem sie Stimmungen konsequent aufnehmen und weiterführen.

Dass Selway ein großer Verehrer des viel zu jung verstorbenen Nick Drake ist, wird in den beiden Akustikgitarren-Songs deutlich. "Wide open" und "Days and nights" leben von hübschen Fingerpicking-Figuren und eleganten Harmoniewechseln. Auch das herzerweichende Streichquartett "Mutti" beweist, welch feine Nase der Engländer für das Zusammenwirken von Melodie und Textur besitzt. Bedenkt man, dass dieses Album der erste Soundtrack aus der Feder Selways ist, stimmt dies für die Zukunft mehr als optimistisch. Selbst, wenn Radiohead eines Tages Geschichte sein sollten, ist da noch mit jeder Menge hervorragender Musik zu rechnen. Ed und Colin, Ihr seid dran.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Wide open
  • Walk
  • Mutti
  • Let me go

Tracklist

  1. Helga's theme
  2. Wide open
  3. Mine
  4. Zakopane
  5. Walk
  6. Snakecharmer
  7. Mutti
  8. Last act
  9. Let me go
  10. Days and nights
  11. Don't go now (Elysian quartet)
  12. Let me go (Rhodes)
  13. Necklace
  14. Helga's theme (Saw)
Gesamtspielzeit: 36:16 min

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Armin

2017-11-30 22:38:25- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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