Micatone - The crack
Sonar / IndigoVÖ: 01.12.2017
A step in the dark
"Come on, take a walk with me / Take my hand, we move in peace." Das Berliner Sextett Micatone weiß, wie man bereits in den ersten Sekunden einer Platte das Setting bestimmen kann. Es ist ja schließlich seit nunmehr knapp zwei Jahrzehnten aktiv und hat seine Mischung aus Blues, Jazz und Rock, auch "Nu Jazz" genannt, stetig verfeinert. "The crack" ist der fünfte Longplayer, dessen Titel sich – neben der Konnotation in Richtung Drogen – mit "Sprung" oder "Riss" übersetzen lässt. Solche finden sich in den Texten zuhauf, seien es die Lücken, die zwischen den Beteiligten einer Liebschaft klaffen oder die bröckelnde Fassade des eigenen Lebenslaufes. Ein Wunder, dass Micatone all das in besonnener und unbeschwerter musikalischer Begleitung verpacken, die selten, dafür dann umso herzhafter zubeißt. "The crack is wider now", singt Vokalistin Lisa Bassenge auf dem faszinierenden Titeltrack und die Band legt einen vertrackten und gleichsam eingängigen Soundteppich drüber. Eine Falle?
Zu Anfang des Albums stehen abgedunkelte Folkstücke, der Opener "Shell song" fährt zur spätnächtlichen Stimmung gar noch eine Harfe auf und übt sich in langsam schreitender Eleganz. "What if the fire was fake" ist eine Art Hit, verziert mit Streichern, wie aus einer alten Mystery-Serie der Neunziger gefallen. "What if the fire was fake? / What if there's nothing at stake?", fragt Bassenge in die ungewisse Dämmerung hinaus. Die sehr schön mit einem Saxofon verzierte "Interlude" umringend, schlägt der Mittelteil von "The crack" vermehrt in Richtung Blues aus. "All gone" suhlt sich im Walzertakt durch das eigene Mitleid, in "Black dog" wird im Refrain wortlos geheult. "You are lonesome / Just like me", heißt es zuvor und wären da nicht die überraschenden Störeffekte in Gestalt von Piepsern und Brummern, die den Song nach und nach durchsetzen, man müsste fast das Wort "gewöhnlich" verwenden.
Auch abgesehen vom bereits erwähnten Titeltrack zieht "The crack" in der Schlussphase noch einmal alle Register. Das mitreißende "Barbed wire" hebt sich stimmungsmäßig in seiner brodelnden, düsteren Stimmung vom Rest des Albums ab, lauert verdächtig im Dunkeln, monologisiert über das eigene Versagen. "The countless times" bleibt indes nur, das emotionale Fazit zu ziehen. "When you lead I won't follow / When I walk you turn the other way", heißt es, bevor Bassenge das Problem auf den Punkt bringt: "How many times do we have to say goodbye?" Alles dreht sich im Kreis, dramatisch schleppt sich der Song zum Ausgang, unverhofft kommt ein Gniedel-Solo noch dazwischen und dann ist es vorbei. Kein Firlefanz, stattdessen im kleinen Rahmen und fokussiert. Dass sich dennoch genügend Schichten zur Entdeckung auf "The crack" verbergen, wird ja bereits auf dem Artwork angedeutet.
Highlights & Tracklist
Highlights
- What if the fire was fake
- The crack
- Barbed wire
Tracklist
- Shell song
- What if the fire was fake
- All gone
- Interlude
- Black dog
- Silent war
- The crack
- Barbed wire
- The countless times
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Armin
2017-11-23 21:19:54- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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