Neufundland - Wir werden niemals fertig sein
Neufundland / Finetunes / Rough TradeVÖ: 17.11.2017
Ein Anfang
Der deutsche Pop hat ein Image-Problem – und zwar nicht nur der Mainstream, den Ex-Plattentests.de-Autor Daniel Gerhardt auf zeit.de jüngst großartig in seine Einzelteile zerlegte. Auch mit den alternativeren Auswüchsen haben so einige Musikliebhaber ihre Schwierigkeiten. Während Kettcar von den Zynikern gerade noch durchgewunken werden, brennen spätestens bei der Schiene um Clueso, Bosse oder Poisel und Bendzko die Alarmglocken durch. Teils weichgespülte Produktion und kitschige Texte sind dabei zumeist die großen Kritikpunkte, die gerne im Anschluss als allgemeingültig für deutschen Pop angesehen werden. Dabei wird oft vergessen, dass unweit davon eine durchaus interessante Gitarrenmusik-Szene floriert, aus der in diesem Jahr schon mehrere hochinteressante Platten entsprungen sind. In die enge Kerbe zwischen diesen beiden Ausprägungen deutscher Musik schleicht sich nun die junge Kölner Band Neufundland, die mit ihrem ersten Album gleich ganz proklamatisch tönt: "Wir werden niemals fertig sein".
Das Quintett hat sich für seinen ersten Langspieler Zeit gelassen und präsentiert ein dementsprechend ausgetüfteltes und vereinendes Werk. Mit zwei Sängern ausgestattet, haben Neufundland für jede stilistische Abzweigung die richtige Stimme. So zieht der überragende Opener "Alles was bleibt" energisch los und wird am Mikrofon fast schon punkig vertont. In der hektischen Bridge brettert schließlich auch die Instrumental-Sektion zu Blitzlichtgewitter richtig los. Dass es bei jenem Indie-Punk nicht bleiben soll, zeigen aber bereits die ersten Sekunden des folgenden "Oase aus Beton", die vielmehr dem wohlüberlegten Pop eines Clueso nacheifern. Erst im Refrain wird wieder eine sanfte Brachialität an den Tag gebracht. Die unterschiedlichen Referenzen setzen Neufundland dabei sehr sparsam und bedacht ein. Im Titeltrack lassen sie beispielsweise kurz die Von-Wegen-Lisbeth-Elektronik pluckern, das überzeugende "Sag was Du willst" packt im Refrain hingegen sehr schöne Tomte-Gitarren aus.
Im Sound bleiben die Kölner dabei variabel obgleich wiederkehrender Elemente. Die Stimme wird häufig mit einem tiefen Part gedoppelt wie im groovenden "Bis es stimmt", die Drums sind elektronisch angehaucht und bieten frische Beats wie im Schlussteil von "Das Ende vom Lied". Im Refrain setzen Neufundland hingegen meist auf tief brummende Brachial-Sequenzen, die gerne von einer höheren Gitarrenlinie konstrastiert werden wie im tanzbaren Kracher "Trink aus". Wegen experimenteller Ausflüge wie dem sehr elektronischen "Ich sehe was" und dem genialen "Eiskugel" bleibt es jedoch spannend. Letzteres fällt mit anfänglichen, mysteriösen Samples aus dem Rahmen, baut aber über vier Minuten einen epischen Track auf, der die Verrücktheit von Bilderbuch mit einer außergewöhnlichen Gesangsperformance à la Jan Plewka aus den 90ern vermischt. Mit derartigen Genre-Sprüngen wirkt das Debütalbum der Kölner wie der deutschsprachige Konter auf den im Frühjahr erschienenen Leoniden-Erstling. Neufundland bauen eine Brücke zwischen Indie-Rock, Hamburger Schule und Singer-Songwriter-Pop auf Post-Punk-Pfeilern und verbinden damit bestenfalls einige Musikgeschmäcker. Ein guter Anfang für eine große Aufgabe. Und das Beste? Steht im Albumtitel: "Wir werden niemals fertig sein".
Highlights & Tracklist
Highlights
- Alles was bleibt
- Sag was Du willst
- Eiskugel
- Trink aus
Tracklist
- Alles was bleibt
- Oase aus Beton
- Sag was Du willst
- Eiskugel
- Ich sehe was
- Das was wir verdienen
- Bis es stimmt
- Trink aus
- Das Ende vom Lied
- Wir werden niemals fertig sein
- Kopf in den Wolken
- Tschüss
Im Forum kommentieren
ingwerhonig
2017-11-14 16:33:58
Wow, der Titelsong flasht. Vor allem in der Live Session! Direkt mal Karten für Release Konzert gekauft
MasterOfDisaster69
2017-11-13 17:59:12
Hier nicht.
Hier stand Ihre Werbung
2017-11-09 09:41:58
"Alles was bleibt" läuft hier öfters mal im Radio. Schöner Song.
Armin
2017-11-08 21:39:51- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Armin
2017-11-03 17:38:47
NEUFUNDLAND
Neufundland aus Köln haben das titelgebende Stück aus ihrem Debütalbum "Wir werden niemals fertig sein" (VÖ 17.11.) veröffentlicht. Dazu gibt es ein Video aus einer Live-Session:
NEUFUNDLAND - WIR WERDEN NIEMALS FERTIG SEIN (Live)
Neunfundland gehen in Kürze auf Konzertreise. Hier die Daten:
https://landstreicher-booking.de/artists/neufundland
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Spotify
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Forum
- Neufundland - Grind (12 Beiträge / Letzter am 16.12.2022 - 01:56 Uhr)
- Neufundland - Scham (5 Beiträge / Letzter am 13.10.2019 - 00:25 Uhr)
- Neufundland - Wir werden niemals fertig sein (6 Beiträge / Letzter am 14.11.2017 - 16:33 Uhr)