Unsane - Sterilize

Southern Lord / Soulfood
VÖ: 29.09.2017
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Druck und Eindruck

Blut ist bekanntlich ein ganz besonderer Saft. Aber es kommt auch darauf an, was man daraus beziehungsweise damit macht. Bei Unsane kann man von jeher sicher sein: nichts Gutes. Zumindest nicht, wenn man sich ihre Cover ansieht. Gesudel am Kühlergrill, Sauerei im Badezimmer, Massaker im U-Bahnschacht – das Trio um Chris Spencer steht nicht nur für ruppiges Geschredder und Verstärker am Rande des Nervenzusammenbruchs, sondern auch für wenig appetitliche visuelle Extremfälle. Und das seit rund 30 Jahren, in denen Unsane mit Mike Pattons Ipecac Records, Jello Biafras Alternative Tentacles oder dem legendären Urviech Amphetamine Reptile schon zahlreiche Label-Institutionen krawalliger Gitarrenmusik durchlaufen haben. Mittlerweile sind die New Yorker bei Southern Lord gelandet, der führenden Renommier-Adresse für Sludge und Doom Metal – was aber nichts an rot gesprenkelter Verpackung und der Sprengkraft ihrer songgewordenen Splitterbomben ändert. Wäre ja auch noch schöner.

Wobei dieser Begriff ein relativer ist, wenn Unsane dem Hörer in treffend verdrießlich betitelten Stücken wie "The grind" oder "We're fucked" die dreckige Wahrheit um die Ohren prügeln und brüllen. Prekäre Arbeitsverhältnisse, Perspektivlosigkeit unterer Bevölkerungsschichten, urbane Verrohung und Brutalität – Dinge, die "Sterilize" natürlich nicht einfach so stehenlassen kann, wiewohl auch rabiater, an Post-Hardcore und Noise geschulter Punkrock gegen die Auswüchse einer unwirtlichen Realität letztendlich nur wenig auszurichten vermag. "Factory" oder "Aberration" überziehen die gesellschaftlichen Missstände trotzdem mit imposanten Riffsalven, denen Spencer gepeinigt aufjaulende Leads und jähzorniges Geschrei entgegenhält. "The truth hurts", befanden die geistesverwandten Pro-Pain einst ähnlich aufgebracht auf ihrem gleichnamigen Album – eine Ironie des Schicksals, dass deren Sänger Gary Meskil inzwischen genauso Opfer eines Gewaltverbrechens wurde wie der Unsane-Frontmann bereits 1998.

Doch so bohrend konsequent der Dreier sich auch durch seinen achten Longplayer paukt – zusehends zeigen sich Ermüdungsbrüche in den zwar auf gleichbleibend hoher Energiestufe operierenden, aber auch kaum nennenswert ausschlagenden Songs. Kurz innehalten? Kommt nicht in die Tüte, da der Feind bei jedem Anzeichen von Schwäche sofort erbarmungslos zutreten könnte. Friedensangebote wie die Mundharmonika in "No chance" oder die Flipper-Coverversion "Ha ha ha", die den Vorgänger "Wreck" wenigstens ansatzweise auflockerten? Auch Fehlanzeige – schließlich soll niemand auf die Idee kommen, Unsane seien nicht mit dem nötigen Ernst bei der Sache. Immerhin wird "No reprieve" dank maschinellem Basslauf zur stampfenden Umdeutung von Big Blacks "Kerosene" und packt "Avail" monströsen Industrial-Sleaze aus. Der hundsgemeine Abschluss eines Albums, das viel Druck, aber auch deutlich weniger Eindruck macht, als man es von Spencer und Kollegen normalerweise gewohnt ist. Eine Blutwurst, bitte.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Factory
  • No reprieve
  • Avail

Tracklist

  1. Factory
  2. The grind
  3. Aberration
  4. No reprieve
  5. Lung
  6. Inclusion
  7. Distance
  8. A slow reaction
  9. We're fucked
  10. Avail
Gesamtspielzeit: 37:24 min

Im Forum kommentieren

Hansi78

2017-12-22 00:50:51

Echt...5 Punkte?! Albern...! Un-glaub-lich gutes Album für solche "alten" Noisecore-Haudegen!!!

....

2017-11-05 00:46:10

....schämt euch!

wilson (ausgeloggt)

2017-11-05 00:30:01

pro-pain werden in einem unsane review als referenz herangezogen!?!?.....bin sprachlos....

Ede

2017-11-04 17:09:34

Gutes Album,ein bis zwei Punkte mehr wären angebracht gewesen. Warum der Rezensent noch noch absoluten Schrott wie Pro- Pain unterbringen musste, erschliesst sich mir nicht.

Nicolas Chains

2017-11-02 19:15:32

Meiner Meinung ein ganz starkes Album, hätte 8 gegeben. Wreck hatte wie beschrieben No Chance und Ha Ha Ha, der ganze Unterbau bzw. alles dazwischen, also das urtypische Unsane taugte kaum. Dagegen ist das hier wieder alles zwingender, fokussierter und hat mehr Substanz. Und so ein bisschen was auflockerndes gibt es ja hier mit Distance durchaus.

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