Sisters - Wait don't wait

Tender Loving Empire
VÖ: 13.10.2017
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Queerfeldein

Trashige Synthies, Glitter, Drama, Gedächtnismelodien mit Kopfstimme – was die Ausgangslage einer Retro-Motto-Party sein könnte, ist der Kern des Bandsounds von Emily Westman und Andrew Wait. Deren Projekt Sisters poliert diese Pop-Facette fast vergessener Dekaden auf Hochglanz. Das Debütalbum "Drink champagne" brachte das Duo noch in Eigenregie heraus. Dafür wählten sie nicht ein beliebiges Datum, sondern den Tag der ganz großen Gefühle und des Umsatzhochs für jeden Blumenhändler. Ja, genau: Am Valentinstag 2017 veröffentlichten sie die Platte und deuteten damit an, dass sie ihre Musik auch immer ein Haarbreit neben dem Kitsch parken. Das ist jedoch kein Grund dafür, eine andere Richtung einzuschlagen. Mit Mut zu dieser Eigenheit bringt sich der Nachfolger "Wait don't wait" in Stellung und setzt den Sound des Prickelbrause-Erstlings fort. Das erste Video der Musiker aus Seattle liegt abseits der Alben und hält trotzdem alles zusammen. Es geht darin um Geschlechtsneutralität. Der Look erinnnert sehr an "First day of my life" und offenbart, dass hinter all dem Frohsinn auch eine Message stecken kann. Ja, die Hipster-Warnblicklampe flackert auf Anschlag. Politischer Aktivismus, Retromusik, fancy Schnauzbärte – macht alles nichts, denn diese Songs verdienen keine Schubladen.

Begleitet wird die musikalische Reise von ebenso vielseitigen Produzenten: Während The-Lumineers-Spezi Ryan Hadlock das eingangs erwähnte Valentinstags-Album produzierte, saß bei "Wait don't wait" Patrick Brown hinter den Reglern, der auch schon mit Toro Y Moi zusammenarbeitete. Das spiegelt sich nur bedingt im Soundbild wieder, aber zeigt die Professionalität, mit der sich den Pop-Hits angenommen wurde – und die gibt es hier ausschließlich. Nahezu jeder Song schraubt sich nachhaltig in den Gehörgang. Das neue Werk ist ein Plädoyer für Spielfreude und einen souveränen Umgang mit den eigenen Gefühlen. Kein Wunder also, dass sich der Glamour-Faktor von Queen durch "Let me go" zieht und eine Lanze für das übertriebene Gitarrensolo bricht. Generell spielen Soli eine immense Rolle: Das Saxophon kommt oft zum Einsatz und mutiert des Öfteren zur Kirsche auf der Nostalgie-Sahne. Die Umsetzung ist derartig pointiert, dass es nie ins zu Käsige zu kippen droht. Das Duo nimmt all das Schillernde, all das Pompöse, aber auch all das Tanzbare der Musik vor der digitalen Umwälzung ins Visier, mit geradezu detailreichen Arrangements. Stellenweise wundert man sich, wie das nur zwei Menschen so hinbekommen haben.

Sisters schaffen es gleichzeitig melancholisch und mitreißend zu sein. Die treibende Rhythmen von "Heart beats" könnten ebenso von Miike Snow stammen. Der herrlich schräge Mittelteil des Auftaktsong "Scene here" wirkt beinahe hinreißend kauzig. Wäre nicht klar, dass die Bee Gees nicht mehr aktiv sind, dann müsste "Y do u take so long?" zwingend als Teil ihrer Diskografie herhalten. Der Spaß bei der Sache ist unüberhörbar. Mit Inbrunst schmettern Sisters die Referenzen ins Mikrofon. Der Ironiefilter bleibt unter Verschluss. Das ist alles so gewollt und ernst gemeint. Der Auftaktgesang von Westman in "Love you too" klingt so dermaßen aus der Zeit gefallen, dass es auf eine pathetisch schöne Art und Weise schmerzt. Die Fortführung von Wait steht dem in nichts nach: Hier himmeln sich zwei dramatisch an. Natürlich ist dies ein total überladener Liebessong mit Chor und erneut von einem Saxofonsolo untermalt, aber es rüttelt doch in den Gefühlsregionen. Sie liefern ein Duett, das ohne Zweifel in schlechter Farbqualität in Hitparaden-Shows laufen könnte. Wären wir, ja wären wir noch in der weniger komplexen Röhrenfernseher-Welt. In Anbetracht der Menge Musik, die täglich über die Server wandert, werden wahrscheinlich viel zu wenig Menschen Notiz von diesem quietschbunten Pop-Bonbon nehmen.

(Michael Rubach)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Heart beats
  • Let me go
  • Y do u take so long?
  • Love you too

Tracklist

  1. Scene here
  2. Heart beats
  3. Let me go
  4. Sleepy eyes
  5. Glitter lights
  6. Bird
  7. Preface
  8. Posing in the field
  9. My little head
  10. Night walk
  11. Y do u take so long?
  12. Love you too
Gesamtspielzeit: 36:52 min

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Armin

2017-11-01 21:54:01- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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