Grandbrothers - Open
City Slang / UniversalVÖ: 20.10.2017
No MIDI
Das MIDI-Keyboard ist für sie wohl der Abschaum. Auf billig verarbeiteten Plastiktasten hat so der ein oder andere mit kaum 100 Euro Startkapital und Garage Band ein Album voller Computersounds eingespielt. Die Band Grandbrothers geht hingegen den konträren Weg. Auf ihrer Suche nach musikalischen Innovationen ist das Duo aus Düsseldorf zu der Idee gelangt, ganze Alben mit einem Konzertflügel aufzunehmen. Das wirkt auf den ersten Blick nach einem kaum neuartigen Ansatz, würde ein Pianist erwidern. Besonders wird die Chose aber bei der Betrachtung der erzeugten Töne. Die Schöpfer Erol Sarp und Lukas Vogel beschränken sich längst nicht auf klassische Klavierklänge, sondern jagen diese durch elektronische Filter. Als sei das nicht genug, bauen die beiden komplexe Hämmerchen in ihren geliebten Flügel, lassen Saiten durch ein Magnetfeld automatisch schwingen und nutzen den Resonanzkörper als Percussion-Element. Diese ausgefeilte Idee hat in den letzten zwei Jahren nicht nur Aufsehen rund um den Globus erfahren sondern auch das Berliner Label City Slang überzeugt. Auf diesem veröffentlichen Grandbrothers nun ihren zweiten Plattenstreich "Open".
Ist die Entstehungsgeschichte einmal bekannt, ist es nicht schwer dem ohnehin schon markanten Sounds der Düsseldorfer zu verfallen. Zu ihrem Glück erscheinen Grandbrothers nämlich nicht nur auf dem Papier spannend. Sarp und Vogel gelingt es einerseits eine faszinierende Stimmung wie in der von cineastischen Texturen überzogenen Ouvertüre "1202" zu gestalten. Das Duo besitzt aber auch eine Gabe für markante, einprägsame Melodien. Rein instrumental werden diese größtenteils von wenig modulierten Klavierklängen umgesetzt. Die Single "Bloodflow" entwickelt sich so mit treibendem Beat zu der Art Song, die in einer perfekten Welt den widerlichen Deep-House-Pop-Quatsch am gemalten Stadtsee ersetzen müsste. Wenn die Klaviermelodie eine weniger zentrale Rolle übernimmt, rutschen Synthie-ähnliche Texturen in den Vordergrund. In "Honey" treiben schier endlose Pads und eine pulsierende Synthesizer-Textur den Track im Mittelteil zum Höhepunkt.
Im Vordergrund von "Open" stehen dabei die verschiedenen Atmosphäre-Vorstellungen der beiden Musiker. Nur selten schrubbt Sarp dabei virtuos über die Tasten wie zu Beginn von "White nights". Vielmehr verlassen sich Grandbrothers wahlweise auf treibend-sphärische Tracks mit nahezu klassischem Beat wie "Sonic riots" oder auf stark cineastisch angehauchte Stücke. "From a distance" basiert dabei beispielsweise auf einem simplen, fallenden Klaviermotiv, welches fantastisch von einem leicht versetzten Pulse-Synthie ergänzt wird. Die sechs Minuten könnten ebenso als Abspann wie auch als mutmachende Filmmusik dienen. Das ruhige "Circonflexe" versetzt den Hörer hingegen klippernd und pluckernd in ein Sci-Fi-Video-Game. Eines, in dem man gerne für sieben Minuten das Gameplay pausiert und der hypnotisierten Musik lauscht. Aufhören lässt hingegen auch das tiefgehende "Long forgotten future", welches mit seiner epischen Erlösung gleich zweimal zum Abheben verleitet. Manchmal bedarf es zum Fliegen eben doch eines Flügels anstelle eines MIDI-Keyboards.
Highlights & Tracklist
Highlights
- From a distance
- Long forgotten future
- Circonflexe
Tracklist
- 1202
- Bloodflow
- From a distance
- Long forgotten future
- Honey
- Alice
- White nights
- Circonflexe
- Sonic riots
- London bridges
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Armin
2017-11-01 21:49:46- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- Grandbrothers - Open (1 Beiträge / Letzter am 01.11.2017 - 21:49 Uhr)