Jessie Ware - Glasshouse

Island / Universal
VÖ: 20.10.2017
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Das Weite suchen

Es muss einfach Zeitschleifen geben! Nicht nur, um sich bis in alle Ewigkeit in dem dritten Album von Jessie Ware zu verlieren, sondern auch für den kleinen Jungen, der sich vor 22 Jahren in die Britin verliebte. Es hätte damals der Beginn einer großen Jugendliebe sein können. Eine dieser vielen Geschichten voller Glück. Und dann? Serviert die elfjährige Ware ihren Verehrer ab. Begründung: Sein Liebesbrief war einfach zu schnulzig. Wie dringend dieser Junge "Glasshouse" gebraucht hätte. Als Tröster. Als Pflaster. Als ein Stück Musik, das den Glauben an die Liebe zurückgibt. Denn seine einstige Herzensbrecherin hat mit dieser Platte ihren Sound aus Pop und Pathos gefestigt. In manchen Momenten finden sich zwar noch die elektronischen Experimente, doch Wares Fokus liegt auf dem Epischen.

Dabei war es nie ein großes Geheimnis, dass Ware genau dorthin zielte, stets das Weite suchte. Allerdings hat die 33-Jährige diese Ausflüge bislang nie so konsequent auf einem Album untergebracht wie hier. Da wäre zuerst einmal die Single "Alone", deren Synthesizer den Song munter auswalzen. Klavier und Streicher reihen sich als weitere Spuren ein. Um gegen so eine Wand aus Sound anzukommen, hat sich Ware fast komplett vom Introvertierten und Geheimnisvollen verabschiedet. Was sich vor allem an ihrer Stimme zeigt. Startet "Midnight" noch mit einem schiefen Beat, singt sie so selbstverständlich über diesen, dass sie die Spuren des Songs geraderückt. Doch: Auf diesem Album verfolgt weiterhin eine Künstlerin ihre eigene Vision und ihre eigenen Ideen. Und trotz des Epischen, trotz der Weite überlädt Ware nicht ein einziges Stück auf "Glasshouse". Dabei hätte "Thinking about you" genug Möglichkeiten geboten. Die Gitarre darf nur eine Melodie andeuten, der Rhythmus bleibt das bestimmende Element hinter Wares Stimme. Überhaupt Beats und Takte: Sie geben die Richtung vor, alle Dinge lehnen sich an sie an. In "Your domino" geht sie die Sache sogar noch konsequenter an, der ganze Song scheint nur aus Rhythmus zu bestehen. Was er natürlich nicht tut. Aber selbst Ware passt ihren Gesang so perfekt daran an, dass sich ein latenter Groove durch den gesamten Song zieht.

Ist das jetzt die Zukunft des Pop? Vermutlich nicht. Dafür hat Jessie Ware – zum Glück – zu viel Eigensinn. Der Sound der Britin könnte sich kaum mehr von den gigantischen Entwürfen des Genres aus Amerika unterscheiden. Denn Ansätze der ersten beiden Alben finden sich ebenfalls auf "Glasshouse", nur eben von einem anderen Punkt aus angegangen. Statt sich in das Eigene zu flüchten, öffnet Ware ihren Sound. Was auch mit der Geburt ihrer Tochter zu tun haben mag, schließlich erwartete sie das Kind während der Arbeit an dem Album, sodass jedes Interview unweigerlich auf die Verbindung zwischen ihrer Musik und dem Nachwuchs hinauslief. Was sich zumindest in den Texten nicht auf den ersten Blick zeigt. Thematisch dreht es sich bei Ware weiterhin konsequent um die Liebe. Sie findet einfache Sätze, jedoch verfällt sie nicht ins Klischee. Ihre Texte entstammen der Tradition des Soul, wo die Toleranzgrenze für schmusige Zweisamkeit sowieso deutlich höher ist. Doch dieses Album markiert keinen Rückzug ins Private, es ist ein Siegeszug der Liebe und des Guten. Um das mitzunehmen, zu fühlen, braucht es vielleicht eine gewisse Leichtgläubigkeit. Aber für eine Dreiviertelstunde scheint mit dieser Platte die Welt wieder ein schöner Ort. Selbst für Elfjährige, denen Mädchen zuvor ihr Herz gebrochen haben.

(Björn Bischoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Midnight
  • Alone
  • Last of the true believers (ft. Paul Buchanan)

Tracklist

  1. Midnight
  2. Thinking about you
  3. Stay awake, wait for me
  4. Your domino
  5. Alone
  6. Selfish love
  7. First time
  8. Hearts
  9. Slow me down
  10. Finish what we started
  11. Last of the true believers (ft. Paul Buchanan)
  12. Sam
Gesamtspielzeit: 46:16 min

Im Forum kommentieren

NOK

2018-10-04 22:15:09

"Das erste Album war toll, das zweite leider deutlich schwächer. Werde ihr trotzdem wieder ne Chance geben."

Hätte ich genauso schreiben können, und bei "Glasshouse" fand ich's dann wirklich schade, dass eine Künstlerin, die auf "Devotion" derart vorwärtsdenkende Popmusik gemacht hat, inzwischen mit derart saturiertem Soul-Pop aus dem Beliebiger-Popsong-einer-weiblichen-Solokünstlerin-Baukasten daherkommt. Wie dem auch sei: Sie hat jetzt eine neue Single, produziert u.a. von Bicep, und die ist ihre beste seit Jahren.

https://www.youtube.com/watch?v=9K5d1jtZ9hc

Armin

2017-10-18 22:28:02- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Armin

2017-08-31 19:18:45- Newsbeitrag

Jessie Ware today shares 'Selfish Love', the follow-up to her incredible returning single 'Midnight'. The track premiered last night as Zane Lowe's World Record on Beats 1 and is accompanied by a video directed by Tom Beard. 'Selfish Love' is available to buy and stream via PMR/Island Records.

"'Selfish Love' is a track that reminds me why I enjoy singing so much. Even though it's coming at the end of the summer, I hope you play it in the heat" said Jessie. The 'Selfish Love' video, shot in Mallorca and directed by Tom Beard, is the prequel to 'Midnight'. Together, the videos tell the story of a couple broken apart in a classic film noir tragedy. 'Selfish Love' is the second track to be taken from Jessie's forthcoming third album due for release later this year.

Chosen as Pitchfork's 'Best New Track' and described by the Sunday Times as "breathtaking", Jessie's returning single 'Midnight' dropped a month ago to overwhelming acclaim. Jessie's upcoming residency at Islington Assembly Hall sold out in minutes after adding two extra dates due to demand. She performs on the 4th, 5th, 7th and 8th of September.

MopedTobias (Marvin)

2017-08-07 23:25:01

Das erste Album war toll, das zweite leider deutlich schwächer. Werde ihr trotzdem wieder ne Chance geben.

Leatherface

2017-08-07 22:41:39

Midnight ist gewohnt fantastisch.

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