Tusks - Dissolve

One Little Indian / Indigo
VÖ: 13.10.2017
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Flucht in die eigene Innerlichkeit

Am 12. Oktober 1979 müssen Fleetwood Mac einen Musikkritiker mit ihrem Album "Tusk" besonders glücklich gemacht haben. So glücklich, dass er ein paar Jahre später von einem Sakrileg schrieb, als es um Emily Underhills neuen Künstlernamen ging. Denn die Produzentin und Songwriterin aus London legte sich den Künstlernamen Tusks zu. In Anlehnung an jenes Album der britisch-amerikanischen Band. An dieser Stelle endet die Verbindung von Underhill in die Vergangenheit von Blues und Rock. Als Tusks macht sie vielmehr dunklen Pop, wie er bisher in so vielen Schlafzimmern und kleinen Studios des 21. Jahrhunderts entstand. Allerdings hat sie für ihr Debüt "Dissolve" eine klare Produktion gewählt. Kein Low Fidelity, an keiner Stelle. Vielmehr fährt Underhill am Ende sogar das Epische auf, wenn "London thunder" als wunderschöne Ballade die Balance zwischen Pathos und Intimität hält. Den ganzen Song tragen nur Underhills Stimme und ein paar Bruchstücke einer Melodie aus einem Synthesizer.

Tusks selbst sieht hinter "Dissolve" weniger ein Album als eine Ansammlung von verschiedenen Songs. Trotzdem zieht sich eine Atmosphäre der Melancholie durch diese knapp 40 Minuten. Der Unterschied zu so vielen anderen Künstlern liegt darin, dass Tusks nie ihre Leichtigkeit darüber verliert. Dunkelheit und Eingängigkeit halten sich genau das richtige Maß, wenn sie etwa in "False" singt: "I still believe in you." Da liegt kein Trotz in ihrer Stimme, sondern wirklicher Glaube. Und dann rollen die Drums über das elektronische Gerüst des Songs hinweg, bauen sich auf und krachen über alles einfach hinweg. Auf einmal erklärt sich, warum Tusks in Interviews gerne mal von Explosions In The Sky als Einfluss spricht. Überhaupt finden sich vor allem im Rhythmus oft die organischeren Spuren dieses Albums, denn trotz der Intimität bleibt Tusks' Stimme manchmal durch Hall und Verzerrung auf Distanz. In "Last" schwebt sie zwischen den Gitarren, bevor der gesamte Sound sie gleich direkt verschlingt. Solche Dinge bleiben auf "Dissolve" aber unauffällig und unaufdringlich. Tusks bietet so als Künstlerin genau die passende Vision, wie Pop dieser Tage funktionieren kann. Und funktionieren muss, um noch etwas in den Menschen zu bewegen.

Thematisch zergeht Underhill zwischen dem üblichen Lieben und Leiden: "I don't feel passion for anything", singt sie aus den Tiefen von "Toronto", während sich dieses Mal sogar ein paar Geigen untermischen dürfen. "Oh, darling, what have you done?" Wenn diese Frage fällt, schwillt der Song an, und Tusks zeigt die ganze Kraft ihres Songwritings, all der Spuren, die sie beherrscht und unterbekommt. In der Form bekommen die Sache weder Banks noch Zola Jesus hin, die in ähnlichen Abgründen unterwegs sind. Denn für Tusks ist Musik die Abkehr vom Äußeren und die Flucht in die eigene Innerlichkeit. Egal, ob London, Paris und Toronto auf das Urbane verweisen. Die Karte, der Tusks folgt, führt durch ihre Gefühlswelt, durch ihren Schmerz. Auf diesem Album öffnet sich jemand - bis zu den schmerzhaften Wunden. Allerdings Tusks Underhill all das in ihren Texten und ihrem Sound so, dass alles glänzt, leuchtet und blendet. Und trotzdem lässt sich fühlen, was diese Reise für Tusks bedeutet. "Dissolve" ist ein emotionales und ein wunderbares Album. Und so viel mehr als nur zehn Songs. Auch wenn die Künstlerin selbst das vielleicht anders sehen mag.

(Björn Bischoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Dissolve
  • Ivy
  • London thunder

Tracklist

  1. For you
  2. False
  3. Last
  4. Dissolve
  5. 1807
  6. Paris
  7. Ivy
  8. Toronto
  9. My love
  10. London thunder
Gesamtspielzeit: 36:41 min

Im Forum kommentieren

Klaus

2020-07-19 12:28:12

Heute wieder beide Alben laufen lassen. Einfach schön schwelgerische Musik.

Armin

2017-10-16 18:47:53

Da sind wir uns einig.

Till

2017-10-16 16:42:57

Sehr schönes Album.

Armin

2017-10-11 21:51:41- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Armin

2017-08-28 20:14:24- Newsbeitrag

TUSKS - Neues Video / Promotag in Berlin / Debüt erscheint im Oktober

Mit "Dissolve" veröffentlicht Emily Underhill unter ihrem Alias TUSKS am 13. Oktober 2017 ihr Debütalbum via One Little Indian / Indigo.
Die aktuelle Single, gleichzeitig auch der Titeltrack, bekam nun ein Video verpasst, welches nachfolgend angeschaut werden kann:

▶ Ansehen: Tusks "Dissolve"

"A sweeping, street-noir, alt-pop anthem that is typical of this wing-spanning artist and producer." (tinymixtapes.com)

Das Video zu "Dissolve" spiegelt den visuellen Anspruch von Tusks wieder:
"I'm a very visual person, I love being outdoors and surrounded by nature. I grew up by the sea and I've always tried to spend as much time outside and travel as much as possible - I think perhaps subconsciously that all influences how cinematic some of my music can be and why I love creating the artwork to go with it", sagt Tusks.

Emily wurde schon im frühesten Alter von einem unstillbaren Interesse an Musik getrieben und entdeckte so Künstler wie Bonobo, Explosions In The Sky oder auch Foals. Das Resultat aus ihren Einflüssen sowie ihrem eigenen musikalischen Gespür ist "Dissolve" - ein ambitioniertes und berauschendes Debütalbum voll erfrischender Melodien.
Es wurde von Emily zusammen mit ihrem langjährigen Co-Produzenten Brett Cox aufgenommen und illustriert ihren visuellen, gleichsam "filmischen" Ansatz, der den Zuhörer in eine Welt voller Texturen und Klanglandschaften eintauchen lässt. Das Aufeinanderprallen all ihrer persönlichen und künstlerischen Erfahrungen kommt in ihrer kraftvollen Musik zum Ausdruck. Dies goutierten schon Tastemaker-Medien wie Wonderland, MixMag, The Line Of Best Fit, Annie Mac, MistaJam und Lauren Laverne.

Tusks Debütalbum “Dissolve” ist aufregend und anspruchsvoll und mehr als nur die Summe äußerer Einflüsse. Es ist gleichsam das Destillat der Person Emily Underhill: erfrischend neu und zugleich vertraut.


Hier noch "Toronto":

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