Trio Da Kali & Kronos Quartet - Ladilikan

World Circuit / Indigo
VÖ: 15.09.2017
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Heart is a beating balafon

Es wäre nicht angemessen, diese Rezension mit einer Einführung zum Kronos Quartet zu beginnen. Nicht nur, weil es gerade einmal drei Monate her ist, dass der Plattentests.de-Stammleser eine solche bereits erhalten hat, als es um deren 2017er-Album "Folk Songs" ging. Vielmehr, weil es einen Grund hat, dass das renommierte Streichquartett hier erst hinter seinem Kollaborationspartner gelistet wird, denn es ist das Trio Da Kali, das auf "Ladilikan" den Ton angibt. Alle drei Mitglieder stammen aus bedeutenden afrikanischen Musikerfamilien, das aus Balafon (eine Art Xylophon), Bass-Ngoni (eine Art Bass-Laute) und Sängerin bestehende Line-Up geht auf eine malische Tradition des 13. Jahrhunderts zurück, die in der zeitgenössischen Musik des Landes eigentlich keine Beachtung mehr findet. Ihr Zusammenspiel stellt das pulsierende Herz des Albums dar, dem sich die immer wieder aufbrausenden Streicher klar unterordnen.

Kronos-Gründer David Harrington bezeichnete "Ladilikan" im Vorfeld als eines der "schönsten" Projekte, an denen er in über 40 Jahren Bandgeschichte beteiligt war, und es wird schnell ersichtlich, dass es sich bei dieser Aussage sicherlich nicht um billiges und inhaltsleeres Promo-Gepose handelt. "Tita" beginnt zaghaft nur mit Lassana Diabatés Balafonanschlägen, zu denen sich kurz darauf noch Mamadou Koyatés Bass gesellt. Ein stoischer, unwiderstehlich funkiger Groove entsteht, den der Hörer trotz der für seine westlichen Ohren ungewohnten Instrumentierung direkt verinnerlicht, ehe die gewaltige Stimme Hawa Kassé Madys den Raum einnimmt. Fast anderthalb Minuten dauert es, bis Harringtons Streicher das erste Mal zu hören sind, doch sie stellen nicht im Geringsten einen Fremdkörper dar, sondern fügen sich makellos ins zuvor kreierte Soundbild ein. Das hier ist die Zusammenkunft sieben hochtalentierter Musikerinnen und Musiker, die ihre virtuosen Fähigkeiten nie gegen- oder nebeneinander ausspielen, sondern in einen natürlichen, hochdynamischen Fluss musikalischer Synergien zusammenlaufen lassen.

Überhaupt ist die Dynamik eine der größten Stärken des Albums. Befürchtungen, dass aufgrund der begrenzten Arrangements Langeweile aufkommen könnte, werden durch das ständige Spiel von laut und leise, schnell und langsam rasch beiseite geräumt. Das unglaublich treibende "Eh Ya Ye" ist das, was einem "Hit" am nächsten kommt, und sowohl Diabaté als auch das Kronos Quartet erhalten in diesen fünf Minuten genug Raum, ihre instrumentellen Ausnahmefähigkeiten unter Beweis zu stellen. "Garaba Mama" verlagert das Kopfkino in den tiefen amerikanischen Westen, indem die Streicher zu Beginn Ennio Morricone zitieren, und das rhythmuslose, majestätisch in der Luft schwebende "God shall wipe all tears away" klingt, als hätte Gospelqueen Mahalia Jackson Beiruts "A sunday smile" eingesungen. Nicht nur hier, sondern auch im ruhigen Abschlusstrack "Sunjata" ist es Kassé Madys nicht nur technisch, sondern auch in seiner Wärme beeindruckendes Organ, das dem Hörer Halt gibt, wenn sich Balafon und Streicher mal etwas zurückhalten.

Alle Songs sind in der malischen Nationalsprache Bambara gesungen, doch Musik ist glücklicherweise ein Medium, das auch ohne Worte mit dem Hörer kommunizieren kann. Es ist nicht notwendig, zu verstehen, was Kassé Mady singt, um sich von ihrer Stimme und dem sie umgebenden Klangbild einnehmen zu lassen. Von jazziger Sperrigkeit ist hier nämlich keine Spur, dafür sind die Melodien zu eingängig, der Fluss zu organisch und die Vocals zu berührend. "Ladilikan" leistet das, was ein perfektes Kollabo-Album leisten muss, es gibt allen Beteiligten die nötige Luft zum Atmen, aber bleibt dennoch stets ein kohärentes Ganzes, in dem nie jemand den anderen übertrumpfen will oder zu viel Raum für sich beansprucht. Ein beachtliches Meisterwerk, da hier nicht nur komplett unterschiedliche Lebenswelten miteinander verschmelzen, sondern auch im Kontrast der traditionellen Rückwärtsgewandtheit des Trio Da Kali zur ständigen, progressiven Neuerfindung des Kronos Quartet auch zwei eigentlich widersprüchliche musikalische Ansätze. Würde das Aufeinandertreffen fremder Kulturen immer so harmonisch verlaufen, man könnte morgens vielleicht mal wieder die Zeitung aufschlagen, ohne ein flaues Gefühl im Magen zu bekommen.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Tita
  • Eh Ya Ye
  • God shall wipe all tears away
  • Sunjata

Tracklist

  1. Tita
  2. Kanimba
  3. Eh Ya Ye
  4. Garaba Mama
  5. God shall wipe all tears away
  6. Samuel
  7. Lila Bambo
  8. Kene Bo
  9. Ladilikan
  10. Sunjata
Gesamtspielzeit: 46:48 min

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Sick

2017-10-13 21:36:23

Ungewöhnlich, aber sehr gut.

Armin

2017-10-11 21:51:17- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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