Courtney Barnett & Kurt Vile - Lotta sea lice

Marathon / Rough Trade
VÖ: 13.10.2017
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Liaison in Rock

Die Courtney und der Kurt. Das gab es in der Geschichte des Rock'n'Roll doch schon mal, werden die Experten jetzt raunen – war damals, in den fernen 90ern, jedoch eine selbstzerstörerische, explosive Kombination. Eine andere, weniger destruktive Liaison als Love und Cobain gehen nun Barnett und Vile ein. Was ja auch Sinn ergibt: Beide lieben und spielen verpeilten Indie-Rock, beide schrubben gerne gedankenverloren auf ihren Gitarrenhälsen herum und denselben Friseur, tja, den haben sie wohl auch. Man könnte also sagen: Perfektes Match. Und ja: "Lotta sea lice" ist ein vergnüglich-entspanntes Album, auf dem sich die beiden Musiker zu gleichen Teilen künstlerisch einbringen. Dank ihrer markanten Stimmen drücken Barnett und Vile den oftmals vor sich hinschleichenden Kompositionen unmissverständlich den jeweiligen Stempel auf.

Der tolle Opener "Over everything" verbindet gleich zu Beginn die herausragenden Fähigkeiten der beiden Künstler: Barnett und Vile singen abwechselnd lakonische Zeilen, während sich ihre Gitarren so trocken und stoisch umgarnen, dass es eine helle Freude ist. Inhaltlich skizziert die Nummer die Einsamkeit im Leben eines Slackers, der lieber mit seinem Instrument abhängt als mit anderen Menschen: "When I'm all alone on my own by my lonesome / And there ain't a single 'nother soul around / I wanna dig into my guitar, bend a blues riff that hangs / Over everything." Später im Song erklärt Vile, wie er zu Ohrstöpseln steht, diesen spießigen kleinen Marshmallows, die sich manch einer vor Konzerten in die Lauscher stopft: "When I was young I liked to hear music blarin' / And I wasn't carin' to neuter my jams with earplugs / But these days I inhabitate a high-pitched ring over things / So these days I plug em up." Man merkt: Barnett und Vile lieben es lässig, sind in Plauderlaune und erzählen mit Witz, Verve und ein zwei bis drei Tropfen Melancholie aus ihren gar nicht mal so wilden Leben.

Einen großen Spannungsbogen weist "Lotta sea lice" bei all der zur Schau gestellten Coolness freilich nicht auf: Hier musizieren zwei Schlucke Wasser in der Kurve ohne thematischen Überbau oder roten Faden, lieber lassen sie ihren Kompositionen freien Lauf, so dass manch ein Song schon fast plan- und ziellos umhermäandert, sich zwischendurch zum rauschenden Jam entwickelt, nur um dann noch mal zum finalen Refrain anzusetzen. Man merkt jedenfalls in jedem Moment, wie viel Spaß die beiden hatten. Bester Ausdruck dieser Freude ist das herrlich melodiöse "Continental breakfast", für das Barnett und Vile den sonst so präsenten Noise etwas zurückfahren. Diese sonnige, wolkenlose Klarheit steht ihnen ausgesprochen gut.

"On script" nimmt die Geschwindigkeit wieder raus, Barnett schwebt auf einem angenehm schweren Gitarrenteppich, den Vile vor ihr ausgebreitet hat. Für "Blue cheese" flirten die beiden dann sogar ein wenig mit sehnsuchtsvollem Countryrock, inklusive Pfeif-Interlude. Bemerkenswerter Schmu! Ein wirkliches Highlight ist kurz vor Schluss "Peepin' Tom": Auch hier steht wieder Barnetts Stimme im Fokus, dazu eine quirlige Gitarre, die ihr auf Schritt und Tritt folgt. Mit diesen minimalistischen Mitteln gelingt es Barnett und Vile zu verzaubern. Klar, mehr von solchen Nummern und wir würden hier vielleicht von einem Meisterwerk sprechen. So bleibt "Lotta sea lice" ein abwechslungsreiches Nebenprojekt zweier blitzgescheiter Quatschköpfe, die sich vielleicht nicht gesucht, glücklicherweise aber dennoch gefunden haben. Und die mit dem sentimentalen "Untogether" am Ende sogar ein gemeinsames Tränchen verdrücken. Hat jemand ein Taschentuch?

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Over everything
  • Continental breakfast
  • Peepin' Tom

Tracklist

  1. Over everything
  2. Let it go
  3. Fear is like a forest
  4. Outta the woodwork
  5. Continental breakfast
  6. On script
  7. Blue cheese
  8. Peepin' Tom
  9. Untogether
Gesamtspielzeit: 44:38 min

Im Forum kommentieren

Mann in Gelb

2017-11-27 23:22:27

*hosehochzieh*

nörtz

2017-11-27 23:15:18

7/10

War mir dann doch ein wenig zu eintönig für eine höhere Wertung. "Over Everything" bleibt der beste Song der Platte für mich.

Loketrourak

2017-11-27 23:10:12

Wirklich schönes Album.

Hoschi

2017-10-24 12:38:57

Sehr, sehr schönes Layback Album.
Reiht sich bestens zwischen Steve Gunn, the war on drugs und den Kurt Vile Solo Sachen ein.
Zudem ist die Vinyl LP richtig gut designt.
Kam gerade vom Mann in Gelb.
Bei "over everything" krieg ich sofort den Drang ans Meer zu fahren.
Ich bin dann mal wech...

nickO

2017-10-20 19:03:18

Fear is like a Forest ist für mich eines DER Musikstücke des Jahres. Hammer!

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