Reamonn - Tuesday

Virgin
VÖ: 03.05.2000
Unsere Bewertung: 9/10
9/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Tuesday night fever

Ein Supergirl auf allen Kanälen. Beinahe aus dem Nichts und ohne große Vermarktungskampagne von Seiten der Plattenfirma schlug unlängst ein nur vordergründig unscheinbar wirkendes Stück Musik namens "Supergirl" in der Rotation sämtlicher Radio- und TV-Sender und nicht zuletzt in der Top 100 der Single-Charts ein. Doch anders als hinter der jungen Dame im Song, die vom Fliegen träumt und dennoch mit den Füßen fest am Boden kleben bleibt, verbirgt sich hinter dem Song eine brillante Melodie, die alsbald abhebt und den Hörer in ungekannte Sphären trägt. "Supergirl" enthält schon alleine die Garantie für eine deftige Gänsehaut und genügend Potential für den ganz großen Chartserfolg.

Die Band zum Übermädchen nennt sich Reamonn und ihr Debütalbum "Tuesday", weil laut Info sämtliche zukunftsweisenden Ereignisse im noch kurzen Leben der Band an einem Dienstag passiert seien. Das ist zwar nichts als der übliche Interview- und Labelinfo-Blödsinn, aber was soll man schon groß schreiben, wenn die Musik einer Band so eindrucksvoll für sich spricht? Wirklich erwähnenswert und etwas unerwartet ist höchstens, daß es sich bei Reamonn um eine deutsche Band handelt. Frontmann und Namensgeber ist dabei der gebürtige Ire Reamonn Garvey, die restlichen vier Fünftel stammen aus Süddeutschland. Produziert wurde "Tuesday" in Manchester von niemand geringerem als Steve Lyon, der schon für Größen wie The Cure, Soul Asylum, Paradise Lost und Paul McCartney die Regler schwang. Reamonn schmücken sich mit großen Namen, Vorschußlorbeeren und hohen Erwartungen, die aber überraschenderweise nicht wie bei vielen ambitionierten deutschen Newcomern im Mittelmaß verpuffen.

"This is liberty because I say it / And this is prodigy in some strange way" singt Garvey gleich zum Auftakt im scheppernden "7th son" und liefert damit nicht nur eine treffende Stilbeschreibung des Stückes, sondern auch gleich den Grundsatz der Band mit. Klassischer Grungerock wird gepaart mit unaufdringlichen Elektronikelementen und synthethischen Streichern. Reamonn scheuen sich nicht, moderne Einflüsse in ihre Songs einzubauen, bleiben dabei aber immer zweckmäßig und meilenweit entfernt von sämtlichen austauschbaren Crossover- oder New Metal-Bands. Egal, in welcher Form die elektronischen Höhenflüge auch auftauchen mögen, im Kern sind Reamonn eine bodenständige Rockband und zu vielseitig für eine Schublade. Auf schlüssige Weise werden bereits in ein Debütalbum Elemente integriert, an denen schon viele andere zerbrachen.

Zugute kommt der Band dabei, daß "Supergirl" noch lange nicht das Ende der Fahnenstange ist und sich auf "Tuesday" drei oder vier weitere potentielle Singlehits finden, allen voran das eingängig melodische "Josephine". Dieser Song ist zwar etwas dreist auf dem gesungenen Gitarrensolo von Hubert Kahs "Sternenhimmel" aufgebaut, aber auch hier gilt der Grundsatz "Besser gut geklaut als schlecht erfunden". Genausowenig stört es, daß gelegentlich der Ire in Reamonn Garvey - um genauer zu sein, der Bono in ihm - etwas stärker zum Vorschein kommt. Hätte man den "Joshua tree" von U2 gut zehn Jahre länger gedeihen und reifen lassen, so könnte man heute vielleicht Früchte wie "If I go", "Waiting there for you" oder "Just a day" ernten. Wer es schließlich schafft, sich bis zum Ende des Albums vorzuarbeiten ohne vorher die "Repeat"-Taste betätigt zu haben, den erwartet ein etwas versteckter weiterer Höhepunkt. Dieser "hidden track" ist eigentlich viel zu schade, um ihn nur nach mühsamem Spulen erreichbar zu machen. Selten fügte sich ein Saxophon so gelungen und homogen in einen Rocksong ein.

Unlängst hatten Reamonn die undankbare, aber aus kommerziellen Gesichtspunkten natürlich höchst interessante Aufgabe, die HIM-Tour zu supporten, die sie mitunter leider mehr schlecht als recht lösten. Sich mit griffigen Schlachtrufen und Rockismen wie "Sing ooooohooh" oder "Eins, zwei, Schei*e" beim jungen Publikum anzubiedern sollte eine solche Band einfach nicht nötig haben. "Tuesday" ist hingegen ein überaus reifes Werk, dem dabei auch die nötige Frische niemals abgeht. Endlich wieder ein ambitioniertes Album aus deutschen Landen, das nicht nur sein möchte, sondern auch ist und dem sehr hoch angesetzten Maßstab voll und ganz gerecht wird.

(Armin Linder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • 7th son
  • Supergirl
  • Swim
  • Josephine

Tracklist

  1. 7th son
  2. Supergirl
  3. Swim
  4. If I go
  5. Josephine
  6. Head in my hand
  7. She's so sexual
  8. Torn
  9. Stripped
  10. Waiting there for you
  11. Just a day
Gesamtspielzeit: 55:15 min

Im Forum kommentieren

Wohlfühlgranate

2024-04-22 18:54:48

Da lügern Sie getz aber!

Huhnmeister

2024-04-22 18:42:34

9/10 fällt schon stark raus, beim Biathlon würde die Wertung gestrichen werden.

Pierre Baguette

2020-02-06 23:40:34

Hab nach der Geschichtsstunde nochmal reingehört. Ist nicht furchtbar, aber auch nicht furchtbar gut. Es gibt wohl schlimmere Jugendsünden :)

Einfach Einwurf

2018-09-11 22:21:23

Und die Harfentrulla ist ganz oben. Da besteht bestimmt ein Zusammenhang.

Armin L.

2018-09-11 20:20:16

Ist in den Lesercharts leider rapide abgeschmiert!
WO SIND DIE FANS??

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