The Killers - Wonderful wonderful

Island / Universal
VÖ: 22.09.2017
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Auf die Bretter

Brandon Flowers ist sehr vielseitig. Er grillt Fleisch im Unterhemd, lässt die Muskeln spielen und schießt im gleichen Outfit vor einem alten, abseits der üblichen Wegungen abgestellten Wohnwagen auf leere Konservendosen. Der 36-Jährige präpariert sich auch im goldenen Sakko für eine Show, umgibt sich als Womanzier im feinen Zwirn mit gleich einem Dutzend schöner Frauen im kurzen Schwarzen und fährt in Cowboy-Montur im Cadillac durch die beleuchteten Casino-Straßen von Las Vegas. Und da sind noch keine 50 Sekunden des Männerklischees abgrasenden Videos zu "The man" vorbei. Alles augenzwinkernd gemeint von den Killers. Natürlich. Überwiegend jedenfalls. Eine Band, deren Sound gerne auf dicke Hose macht, steckt sicher auch ein paar Funken Wahrheit in das Macho-Machwerk. Allerdings zeichen sie auf ihrem jüngsten Album ein differenzierteres Männerbild; die Hilti bohrt auch Seelen auf.

Der aufmerksame Leser wird bereits festgestellt haben: Es gibt ein neues Album von The Killers. Dass zwischen den Tumbleweeds nur ein kleiner Teil "Wonderful wonderful" jauchzt, liegt am schon hinlänglich beschriebenen Werdegang der Band, zuletzt mündend ins völlig egale "Battle born". Zudem brachte Flowers mit "The desired effect" ein Solowerk für Liebhaber von Popmusik mit Achtziger-Referenzen heraus, das die Notwendigkeit seiner Band zumindest mal vorsichtig in Frage stellte. Die Vorabboten versprachen allerdings ein Abbremsen des freien Falls der Killers. "The man" groovt lässig durch die Disco auf einem Sample von Kool & The Gangs "Spirit of the boogie" und das glitzerperlende Keyboard sowie der kleine Robotik-Effekt denken im Refrain an Daft Punk anno 2013. Wäre auf Arcade Fires "Everything now" als Highlight hervorgegangen. Ganz anders: "Run for cover". Da leuchteten die Augen der Freunde der "Class of 2005" und der frühen Killers: "Das klingt ja fast wie damals!" Nun, geschrieben wurde das gute Stück bereits vor neun Jahren zu "Day & age"-Zeiten, finalisiert aber erst für "Wonderful wonderful" – an den Hitqualitäten ändert das freilich gar nichts.

Wohl am überraschendsten im Trio der vorab veröffentlichten Nummern tönte der starke Titeltrack. Wir hören einen grimmigen Bass, donnergrollende Drums, sägende Streicher und ein epochales Aufbäumen, in dem, was Song-Dechiffrierer als Refrain markieren, aber Flowers eher gereicht, sich von Massen anbeten als ansingen zu lassen. Insofern ein guter Einstieg ins Album, das natürlich das Stadionrund bedenkt. Auf Anhieb überzeugt der Rest der fünften Studioplatte allerdings nicht. "Life to come" beschreibt ganz gut, wie U2 den Killers-Hit "Human" interpretieren könnten und in "Out of my mind" erzählt Flowers von Beziehungszoff, argumentiert mit Graceland, Springsteen und McCartney, aber der käsige Funk trägt keine Rock'n'Roll-Kluft. "Rut" braucht Geduld, die nicht jeder nach dem nervigen Vocoder-Start aufbringen möchte. Dabei hat der Song einen durchaus komplexen Aufbau. Flowers singt aus der Sicht seiner psychisch labilen Frau, die an einem posttraumatischen Stresssyndrom leidet. "I've done my best defending but the punches are starting to land." "Sie" erinnert darin an die Vergangenheit, um Unterstützung für die Gegenwart zu erhalten: "Don't give up on me / Cause I'm just in a rut." Na also, auch bei den Killers besteht ein Mann eben nicht nur aus Speck, Bier und Fetthemd, sondern auch aus Empathie.

Den Text zu "Some kind of love" finden Archäologen sicher eingeritzt auf Holzbänken diverser Schulen, aber die luftige, schwebende Ballade um ein Brian-Eno-Sample ist auch ungemein schön. In "Have all the songs been written?" gniedelt Mark Knopfler unüberhörbar in Mark-Knopfler-Manier und die Killers beantworten ihre Frage gleich selbst mit Ja. Und Nein. Einerseits ja, denn Flowers beschleicht inzwischen häufiger das Gefühl, den Song-Größen wenig hinzufügen zu können. Andererseits nein, sind sie nicht. Sonst läge uns nicht "Wonderful wonderful" vor, in dem Woody Harrelson die Einleitungsworte von "The calling" übernimmt und bluesrockige Gitarrenlicks dem programmierten Beat entgegentreten. Nicht alles auf der Platte greift Hand in Hand, in der Hinterhand halten The Killers allerdings "Tyson vs Douglas". Unschwer zu erraten, dreht es sich um den berühmten Box-Fight aus 1990. Der schier unbesiegbare Mike Tyson. Auf die Bretter geschickt von No-Name Buster Douglas. Musikalisch blicken Drumbeat, Keyboard und Gitarrensaiten wieder auf die Achtzigerjahre und hauen eine famose Synth-Rock-Hook raus. Um im Bild zu bleiben: Der Kampf um die Band ist noch nicht verloren. Knapper Punktsieg über zehn Runden.

(Stephan Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Wonderful wonderful
  • Run for cover
  • Tyson vs Douglas
  • Some kind of love

Tracklist

  1. Wonderful wonderful
  2. The man
  3. Rut
  4. Life to come
  5. Run for cover
  6. Tyson vs Douglas
  7. Some kind of love
  8. Out of my mind
  9. The calling
  10. Have all the songs been written?
Gesamtspielzeit: 43:00 min

Im Forum kommentieren

Scholz

2017-10-11 23:47:56

Getz lass bloß den lieben Gott in Frieden ruhen und aus dem Spiel, ja? Is' ja fürchterlich...

Rick Lüh

2017-10-11 17:28:36

Für mich als Battle-Born-Möger 'n solides Teil mit ein paar guten Nummern als Ganzes und noch ein paar guten Ansätzen. Alles in Allem aber irgendwie unfertig und unrund. Recht viel Potential verschenkt.

Aber... was ist "Some Kind Of Love" denn bitte fürn hammer Übersong? WOW! Danke, danke, danke lieber Gott!

Scholz

2017-10-10 20:21:20

Big Shit. Der gleiche, hoffnungskillende Griff ins Klo wie die beschissene 'Battle Born'. Bitte auflösen.

Stephan

2017-09-29 18:48:56

@S.v.K:
Da hast du natürlich drei Mal recht. Ist geändert.

S.v.K.

2017-09-29 15:35:49

Mir gefällt's. In der Rezension steht inkl. Tracklist und Highlights übrigens drei Mal "Tyson & Douglas" statt "Tyson vs Douglas".

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