Daughter - Music from Before the storm

4AD / Beggars / Indigo
VÖ: 01.09.2017
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Schlaf mich

Teenagerschwangerschaften, Freundschaften, Liebe, Mobbing, Selbstmordversuche – nein, das ist nicht der Plot einer neuen Folge von "Berlin – Tag & Nacht", sondern die Story eines Videospiels. Und das ist, auch entgegen einiger Vermutungen, sogar ein heißerwartetes. Liest man zumindest. "Life is strange: Before the storm" wurde von den Machern von "Final fantasy" oder "Tomb Raider" produziert, die selbst Großmütter mittlerweile als erfolgreiche Games kennen. Daughter haben nun den Soundtrack dazu geschrieben, was noch stärker verblüfft, als dass dieses neue Lieblings-Indie-Trio aus London demnächst die großen Bühnen für The National eröffnet. "Music from Before the storm" heißt das Ganze, soll aber als drittes Album gehört werden, obwohl dazu im Spiel eine Jugendliche durch ihre Adoleszenz und die Alles-ist-doof-Phase gesteuert wird.

Daughter waren vom Script des Spiels fasziniert. Auch sagte ihnen zu, dass das Vergängerwerk dieser Reihe in einigen Schulen quasi-therapeutisch genutzt wird, was zumindest ja toll ist, wenn das klappt. "Porträt der Realität", so nennt das Trio dieses Spiel. Ein wenig sentimental kamen die ganzen Erinnerungen an ihre eigene Schulzeit auf. Die Dramaturgie ist schon mal eine vollkommen andere als bei Filmsoundtracks: Es wird nicht auf einen Klimax hingearbeitet, stattdessen müssen die Songs auch kleinteilig wiederholbar sein. Die Musik soll untermalen, aber nicht allzu aufdringlich ablenken oder gar nerven, sodass der Controller aus der Hand geschmettert wird. Und dann gibt es ja noch die Menschen, die solche Spiele immer wieder durchklicken wollen, also müssen die Songs immer und immer wieder hörbar sein.

Das trifft alles auf "Music from Before the storm" zu. Es ist sphärischer, melancholischer, zarter Electro-Pop zu hören, der stark an Mobys "Wait for me" erinnert. Songs wie "Glass" oder "Hope" steuern, einem recht simplen Trick folgend, immer auf ihren Höhepunkt im letzten Songdrittel zu. Dann ziehen Drums an, der Sound verdickt sich durch mehr Hall, mehr Stimmen, und das war's. Abrupt löst sich alles auf. Elena Tondra säuselt sich durch einige Songs, wobei es eher Statements sind, die sie von sich gibt, etwa: "I can't be bothered with the teachers / Always trying to shape the way I act." Die Mehrzahl der Stücke ist jedoch, ganz soundtrackkonform, instrumental. Gestöhnt wird in "The right way around" oder "Flaws" trotzdem.

Und so weitläufig die Songs auch sind, in ihrem Wohlgefallen vor sich hin plätschern, was überhaupt an viele dieser jüngeren Bands denken lässt, die die Dessner-Brüder von The National um sich versammelt haben, etwa Local Natives, Lisa Hannigan oder Little May: Ein wenig fad bleibt das schon. Die Harmonien sind schön. Die Melodien sind lieblich. Der Modus ist verträumt. Die Stimmung leicht traurig. Und versucht "Dreams of William" kurz auszubrechen, dann ist es auch wieder – altbewährt – schematisch: Die Drums ziehen an, der Sound verdickt sich, hier jedoch durch mitstampfende E-Gitarren, die sich in einem Lärmknäuel verhaspeln. Ein wenig ideenlos lässt das zurück. Ob Soundtracks für Videospiele jetzt DAS neue Ding sind, sich bei der Plattenkauf-faulen Jugend beliebt zu machen: wohl eher nicht. Zumindest scheinen Daughter ganz gut zu diesem Spiel zu passen (nein, wurde nicht getestet), also wie es ausschaut und sich wohl anfühlt.

(Maximilian Ginter)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Glass
  • Witches

Tracklist

  1. Glass
  2. Burn it down
  3. Flaws
  4. Hope
  5. The right way around
  6. Witches
  7. Departure
  8. All I wanted
  9. I can't live here anymore
  10. Dreams of William
  11. Improve
  12. Voices
  13. A hole in the Earth
Gesamtspielzeit: 46:53 min

Im Forum kommentieren

tjsifi

2018-02-28 16:24:00

Würde eher sagen als Soundtrack fürs Game ist es toll aber als eigenständiges "Album" fehlt mir doch etwas.

Sons&Daughters

2018-02-28 12:22:55

Mittlerweile auch mal durchgehört, find es eigentlich ganz stimmig. Und die drei Songs mit richtigem Liedtext (Burn it Down; All I Wanted; A Hole in the Earth) find ich sogar richtig gut.
Und da es sich hierbei um einen Soundtrack handelt, um einen Soundtrack für ein Spiel sogar, kann man schon sagen, dass das ein ganz ordentliches Album ist!

Mir gefällt es... 8/10

L. Müller

2018-01-09 16:23:08

Musikalische Kompetenz will ich dem Rezensenten nicht absprechen.
Aber dass das Videospiel nicht getestet wurde, hätte man ausgangs nicht mehr erwähnen müssen - das wurde schon klar als es mit "Berlin Tag und Nacht" verglichen wurde. Das Spiel ist bzgl. inhaltlich-emotionaler Tiefe und auch seines künstlerischen Werts das größtmögliche Gegenteil von Assi-Drama.

nahui

2017-11-05 13:52:12

Ist das hier eine Review zum Album "Music from Before the Storm" oder eine Kritik am Medium Videospiel?

MasterOfDisaster69

2017-09-11 15:46:09

mag schon stimmen, aber als Soundtrack für ein Game doch ziemlich stark. Oder gibt es andere Game-Sondtracks, die auf Albumlaenge derart gut einschlagen?
aehm, und "a hole in the earth" ist bei mir auch mittlerweile in der Top10 des Jahres...

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