Maya Jane Coles - Take flight

I/AM/ME / Skint / BMG / Warner
VÖ: 25.08.2017
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Ihr gehört die Nacht

Fünf Auftritte vor insgesamt 175.000 Leuten – für eine vornehmlich im Dance-Kontext stattfindende Elektronikerin mehr als beachtlich. Selbst wenn sich Mitte 2017 der Großteil der Zuschauer hauptsächlich eingefunden haben dürfte, um bei den Osteuropa-Konzerten der "Global spirit tour" dem Hauptact Depeche Mode zuzujubeln und nicht in erster Linie der zweifelsohne renommierten britisch-japanischen DJane Maya Jane Coles im Vorprogramm. Denn machen wir uns nichts vor: "Music for the masses" ist "Take flight" beileibe nicht. Eher Musik in Massen. Oder zumindest in Hülle und Fülle, wie man an 24 Tracks auf zwei CDs unschwer erkennen kann. Ebenfalls offensichtlich: Coles' zweiter Longplayer verzichtet auf allzu prominente Gastvokalisten – anders als der Erstling "Comfort", auf dem noch Tricky, Nadine Shah oder Miss Kittin am Mikro standen.

Schon die Vorboten zu "Take flight" stellten klar, dass hier vor allem Coles' eigener Gesang im Mittelpunkt steht: Die unterschwellig morphende Sequenz des minimalistisch nagelnden "Won't let you down" versinkt in einer verhallten Vocal-Schlaufe, "Weak" windet sich um eine vorwitzige Basslinie, mogelt sich durch die Club-Hintertür und lässt gleich zum Auftakt einen so großartigen wie verführerischen Song da. Und dass weitere folgen, ist nur ein Vorteil eines Albums, das nicht nur auf der Tanzfläche funktioniert und sich knapp zwei Stunden Zeit nimmt, um die verschiedensten musikalischen Löcher zu graben. Karg arrangierter Deep House oder technoides Pumpen müssen zunächst draußen bleiben – zugunsten von verbreakt rotierenden Groove-Kartons, die sich zuweilen genauso selbst verschlingen wie die Figur auf dem Cover.

Dass viele Tracks die Macht der Nacht beschwören, rückt "Take flight" dabei in die Nähe des gleichnamigen Debüts von Coles' UK-Garage-Alias Nocturnal Sunshine – etwa wenn das Titelstück zu behutsam getupfter Melodie Richtung Neonlicht abhebt oder "Blackout" mental die Party-Scherben zusammenkehrt und sich noch einmal die Bettdecke über den Kopf zieht. Ein sanfteres Ruhekissen geben die Songs ab, in denen Coles ihre Indie-Affinität demonstriert: Dank präziser Gitarrenlicks und der Stimme von We Fell To Earths Wendy Rae Fowler stehen "A chemical affair" und "Misty morning" Bands wie The xx oder Daughter näher, als man zunächst glauben möchte, und der pastorale Sopran von GAPS-Sängerin Rachel Butt sorgt bei "Keep me warm" für einen erhabenen Austra-Moment. Techno? Möchte man zu diesem Zeitpunkt fast schon als vermisst melden.

Gut also, dass er auf dem zweiten Tonträger bald wieder auftaucht – insbesondere das straighte Wummern des Piano-House-infizierten "Go on and make it through" bringt die Verhältnisse wieder ins einigermaßen rechte Lot. Stimmfetzen drehen durch, Filter öffnen und schließen sich, der knochentrockene Vocal-Track "Golden days" und der ridige Trance-Bolzen "Stay" legen hochwertig nach. Doch auch in dieser Four-to-the-floor-Sektion bleibt Platz für den kühl gleißenden Dubstep-Modus von "Chasing sunshine" oder den Abschluss "Starlight", wo ein gekippt vor sich hinbrummelnder New-Order-Basslauf auf den letzten Metern eine dezente, aber unüberhörbare Post-Punk-Färbung einführt. Die über die massive Spielzeit fast zwangsläufig auftretenden, gelinden Längen dieses Albums sind da längst vergessen. Was bleibt, ist eine große Nachtmusik.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Weak
  • Take flight
  • Blackout
  • Keep me warm ft. GAPS
  • Go on and make it through
  • Chasing sunshine
  • Starlight

Tracklist

  • CD 1
    1. Weak
    2. Bo & Wing
    3. Old jam
    4. Take flight
    5. Darkside ft. Chelou
    6. Lucky charm
    7. Blackout
    8. Unholy
    9. A chemical affair ft. Wendy Rae Fowler
    10. Misty morning ft. Wendy Rae Fowler
    11. Keep me warm ft. GAPS
    12. Let you go
  • CD 2
    1. Won't let you down
    2. On my way
    3. Go on and make it through
    4. Cherry bomb
    5. Chasing sunshine
    6. Golden days
    7. Werk
    8. Passing me by
    9. Trails
    10. Stay
    11. Pulse
    12. Starlight
Gesamtspielzeit: 111:26 min

Im Forum kommentieren

Armin

2017-08-31 23:42:19

Gern geschehen.

Autotomate

2017-08-31 23:35:59

Jahrelang hab ich nach dem großartigen "Comfort" auf ein neues Album gewartet und jetzt erfahre ich das ausgerechnet von Plattentests...

Armin

2017-08-31 23:19:14- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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