Paradise Lost - Medusa
Nuclear Blast / WarnerVÖ: 01.09.2017
Düstere Vergangenheit
Es gibt Bands, die über Jahre, bisweilen Jahrzehnte ihren Stil nahezu unverändert durchspielen. Und das ist nicht nur mangelnder Kreativität geschuldet, sondern auch durchaus Bestandteil der Band-DNA. Denn mal im Ernst, kann sich jemand wirklich vorstellen, dass Motörhead plötzlich eine Glam-Rock-Platte produziert hätten? Eben. So, und dann gibt es Truppen wie Paradise Lost. Bands, die immer auf der Suche nach Veränderung sind und die auch vor bisweilen radikalen Brüchen nicht zurückschrecken. Ja, "Host" war 1999 bestenfalls als umstritten zu bezeichnen, aber vermutlich eben so wichtig für die Entwicklung wie der Megaseller "Icon" oder die letzten beiden Alben "Tragic idol" und "The plague within", bei denen die Nordengländer die Liebe zu ihren Wurzeln wieder entdeckten, nämlich die Anfang der Neunzigerjahre genrestiftende Mischung aus Doom und Death-Metal.
Und doch kann der Überraschungseffekt bei den ersten Klängen von "Medusa" kaum größer sein. Zähflüssig und mächtig zermalmen die ersten Riffs jeglichen Anflug sonniger Stimmung von Beginn an. Eine Wand, über der Greg Mackintoshs Gitarre leise weint, so wie es eben nur Mackintosh beherrscht. Bis Frontmann Nick Holmes reine Dystopie ins Mikrofon röhrt, nur zerrissen von einem feinen Break, das mit Klargesang zumindest versucht, die Düsternis zu durchbrechen. Auch wenn in den folgenden "Gods of ancient" und "From the gallows" die Riffs ein wenig leichtfüßiger werden, die Songs etwas mehr Dynamik bekommen als lavaartig durch die Boxen zu triefen, ändert dies nichts an einer Ruppigkeit, für die man lange im Backkatalog suchen muss und die auch auf "The plague within" nicht in dieser Konsequenz eingesetzt worden ist. Ob dies an den immer extremer werdenden Songs von Mackintoshs Nebenprojekt Vallenfyre liegt oder ob Mackintosh und Holmes als hauptamtliche Songschreiber schlicht mehr und mehr Gefallen an diesen für manche Fans durchaus verstörenden Klängen gefunden haben, sei dahingestellt. Das Ergebnis ist allemal hochklassig.
Plötzlich kommen Melodien ins Spiel. Das von einer Dokumentation über die Todeszone von Tschernobyl inspirierte "The longest winter" beispielsweise gewinnt gar durch die klar gesungenen Passagen an Düsternis statt sie aufzuweichen, und der Titeltrack zieht seine Melancholie aus einem repetitiven Melodiebogen, der mal mit Piano, mal mit Gitarre diesen brutalst schleppenden Song zusammenhält. So weit, so gut. Dass Paradise Lost aber bei aller wieder entdeckter Härte in knapp 30 Jahren Bandhistorie ein gehöriges Gefühl für Hooks entwickelt haben, zeigt "Blood and chaos". Wie ein Song der Sisters Of Mercy, dessen Härte ein wenig aus dem Ruder gelaufen ist, hat alleine der Refrain unfassbares Tanzflächenpotenzial. Doom ist nur für introvertierte Trauerweiden? Mitnichten.
Da ist es auch gar nicht weiter tragisch, dass die Platte mit "Until the grave" nicht ganz so spektakulär, sondern eher routiniert ausläuft. Fakt ist, dass "Medusa" durchaus eine faustdicke Überraschung ist. Nicht wegen des Härtegrads an sich, das hatte sich in der jüngeren Vergangenheit durchaus angedeutet. Aber die Konsequenz, mit der die Nordengländer ihren Sound wieder auf brutalstmöglichen Doom-Death gedrillt haben, beeindruckt nun doch; ebenso wie der Umstand, dass "Medusa" zu keiner Zeit gewollt retrospektiv klingt, sondern die Erfahrung aus eben diesen drei Jahrzehnten mühelos einfließen lässt. Die Diskussion, ob eine qualitative Einordnung in die frühen Kapitel des Back-Kataloges fair oder überhaupt machbar ist, lassen wir mal außen vor. Aber vor einem Vierteljahrhundert erschien "Shades of God", die Platte, die mit "As I die" den ersten veritablen Bandklassiker enthält. Rein stilistisch ist "Medusa" das Album, was direkt danach hätte erscheinen können. Ein beeindruckendes Album, was höchst gekonnt Ursprung und Neuzeit verbindet.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Fearless sky
- The longest winter
- Blood and chaos
Tracklist
- Fearless sky
- Gods of ancient
- From the gallows
- The longest winter
- Medusa
- No passage for the dead
- Blood and chaos
- Until the grave
Im Forum kommentieren
Given To The Rising
2020-09-04 18:47:19
SV ist sogar nur ein Bonussong.
Given To The Rising
2020-09-04 18:45:59
Symbolic Virtue ist einer ihrer besten Tracks. Auch sonst ist das Album eines ihrer besseren.
Ohje...
2017-09-06 14:26:06
... obvious troll is obvious.
Onkelz4Ever
2017-09-04 20:20:22
Fürchterliche Band.
Auf "Gothic" war ja zumindest das Titelstück halbwegs anhörbar, aber seitdem der Gurkenfrontmann versuchte, zu singen, war es nur noch peinlich.
Gruß,
O4E
Marküs
2017-09-04 18:43:55
Ich bin dermaßen geflasht!
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