Lilly Among Clouds - Aerial perspective
PIAS / Rough TradeVÖ: 25.08.2017
Die Stadt im Dorf
An der Bushaltestelle herumlungern, in verlassenen Feldern Auto fahren: Was tut man im jungen Alter nicht alles, um im abgelegenen Dorf seine Zeit zu vertreiben und bestenfalls noch ein wenig Aufmerksamkeit zu ergattern? Ab vom Schuss hat die Musik – so will es zumindest das Klischee – abseits der Blaskapelle einen schwierigen Stand. Geschichten wie jene von Elisabeth Brüchner sind daher durchaus bemerkenswert. Aus einem kleinen bayerischen Kaff hat sich die junge Frau hinter dem Pseudonym Lilly Among Clouds in die weite Galaxie der bombastischen Popmusik gewagt. Aus ihrer Liebe zur großen Produktion und übermäßigen Melodien machte Brüchner bereits auf ihrer EP kein großes Geheimnis. Nach einigen Jahren der künstlerischen Selbstfindung kann die nun in Würzburg lebende Musikerin der Welt ihren ersten Langspieler "Aerial perspective" präsentieren und steigt damit in die großen Fußstapfen ihrer Vorbilder.
Zu Hause höre sie gerne Lykke Li, und zwar die Platte "Wounded rhymes", gibt Lilly Among Clouds zu. Der Einfluss der Schwedin ist auf "Aerial perspective" deutlich erkennbar. Ein düsteres Klavier verschmilzt mit wärmenden Synthie-Flächen, im Hintergrund ballern kriegsartige Standtrommeln und setzen der Grundstimmung ein bedrohliches i-Tüpfelchen auf. Tracks wie das eingängie "The only one" sind nach jenem bekannten Prinzip gestrickt, reihen sich aber nahtlos in die Vorbilder-Galerie ein, die auch Lana Del Rey oder Lorde umfassen dürfte. Im Gesamten hält Lilly Among Clouds die Lieder durchweg elektronisch, wobei hin und wieder eine überraschend wurmende Gitarrenmelodie das Klanglicht erhellt wie im intensiven und perfekt durchproduzierten "Long distance relationship". Generell ist auffällig, dass "Aerial perspective" trotz kleiner Andeutungen an keiner Stelle aus dem gesteckten Rahmen fällt. "Mother mother" hält sich lange als Klavierballade, ehe die peitschende Percussion ihr Übriges tut, und das folgende "Remember me" verkleidet sich vor seinem überschlagsartigen Finale zunächst als Folksong. In beiden Fällen ist der Dynamikwechsel überraschend und doch gelungen.
Die eingeschlagene Marschrichtung lautet durchweg: Intimität durch Bombast. Auch wenn man es Lilly Among Clouds zugute halten muss, dass sie dies gnadenlos durchzieht, scheitert dieses mutige Spiel mit dem Klangmonster an vereinzelten Stellen. "Listen to your mama" dringt zwar schnell ins Ohr, ist mit seinem quietschenden Geigen-Sample letztlich aber doch ein bisschen arg klebrig. Auch das etwas gitarrenlastigere "Keep" hat in der Plugin-Hölle zu kämpfen. Der röhrende Synthie und das kitschige Elektro-Drumpad wären auf der letzten Chvrches-Platte besser aufgehoben gewesen. Glücklicherweise zeigt die junge Solokünstlerin im bezaubernden "Like a bombshell", welches von einer triefenden Akustikgitarre getragen wird, direkt danach, dass sie es viel besser kann. Das ausgereifte Songwriting kommt in der anschließenden Single "Your hands are like home" gut zum Vorschein, welche überdies mit einem überzeugenden Handclap-Finale ausgestattet ist und Hit-Charakter besitzt. Hier lässt sich erkennen, dass hinter der dicken Soundmasche Charakter steckt. Und zwar der von einer Frau aus einem kleinen Dorf, die auf sich aufmerksam macht. Mit Musik.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The only one
- Like a bombshell
- Your hands are like home
Tracklist
- Everyone else
- The only one
- Long distance relationship
- Listen to your mama
- Awake
- Keep
- Like a bombshell
- Your hands are like home
- Mother mother
- Remember me
- Blood & history
Im Forum kommentieren
Das ist schon eher hochgegriffen...
2017-11-02 17:45:12
Anfangs konnte ich eine 6/10 noch nachvollziehen, einige Mal nun genauer gehört, auf Arrangements, Songwriting und Texte geachtet, welche ich beides für sehr mittelprächtig und austauschbar halte. Letztlich bleibt die Stimme, die natürlich hervorsticht und hier und da nette Melodien.
Eher eine 5/10 - wobei ich auch noch kritische Stimmen verstehen würde.
Till
2017-08-17 16:38:42
Ich melde mich hier mal kurz. Die 7/10 Wertung erreicht die Platte für mich nicht aufgrund des angegeben Kritikpunkts der arg kitschigen, pappigen und überproduzierten Stellen. Mit ein bisschen mehr "weniger ist mehr" (höhe) wäre es wohl eine 7/10 geworden.
Philipp
2017-08-16 21:58:43
Die Rezension liest sich besser als 6/10...
Armin
2017-08-16 21:22:34- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
OldSea
2017-08-05 14:54:03
Bin kürzlich darauf gestoßen, geht als netter Pop schnell ins Ohr. Nach ein paar Durchgängen der EP/Singles doch etwas flach, die Lyrics teilweise grenzwertig.
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Referenzen
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