Liars - TFCF

Mute / PIAS / Rough Trade
VÖ: 25.08.2017
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Altar vor Schönheit

"Ich habe mich getraut." Diesen Satz sagen Menschen manchmal, wenn sie kürzlich in den Stand der Ehe getreten sind – und außerdem zum Ausdruck bringen wollen, dass sie über ein gerüttelt Maß an Verbalhumor verfügen. Ha ha. Danke, das reicht. "Trau, schau, wem" – diesen Satz hingegen könnte man Angus Andrew in den Mund legen, während er auf dem Cover von "TFCF" traurig aus dem Brautkleid glotzt, weil der Bräutigam offenbar kurzfristig anderweitige Termine hatte. Laut Andrew handelte es sich bei diesem um seinen Ex-Kollegen Aaron Hemphill, der kurz vor den Aufnahmen aus der Band ausstieg. Eine Verbindung, die das inzwischen einzige Liars-Mitglied allerdings schnell als schrägen Witz entlarvte. Für das achte Album muss man sich eben etwas einfallen lassen – und wenn es absurde Fake News im homoerotischen Hochzeitsmilieu sind.

Passend dazu eröffnet das köstliche "Cliché suite" mit einer karikierten Soft-Rock-Fanfare, die Andrew aus dem Chicago-Schmachtfetzen "If you leave me now" herausoperiert haben könnte. Nur echt ohne Betäubung und mit verquer dazwischenquäkenden Roboter-Enten. Trotz des Romantik immerhin vorgaukelnden Artworks denkt der gebürtige Australier also erneut nicht im Traum daran, es dem Hörer ansatzweise einfach zu machen. Auch nicht im Sinne der rohen Post-Punk-Ruckelei von "They threw us all in a trench and stuck a monument on top" oder des urban wummenden Techno-Bretts "Mess". Was ist "TFCF" also? Eine Art Soundtrack, worauf der ausgeschrieben "Theme from Crying Fountain" lautende Titel hindeuten könnte? Das akustische Pendant des Naturreservats bei Sydney, wo Andrew inzwischen lebt? Weiß er es überhaupt selbst?

Sagen wir so: Wäre "TFCF" eine Hochzeitsfeier, möchte man sich die schwofenden Gäste besser gar nicht vorstellen. Was etwa der böse Klopfer "Spaceape" von Burial tat, um im humpeligen elektronischen Talking-Blues "Staring at zero" auf Krücken wiederaufzuerstehen, erschließt sich zu keiner Zeit – dennoch erweist sich dieser Eiertanz auf Fibronil als so infektiös, dass auch der 2012er Rohrkrepierer "Wixiw" davon profitiert hätte. Dass Andrew diesen Drive dabei nicht über die komplette Spielzeit aufrechterhalten kann oder will, verleiht diesem Album wie üblich den Charakter eines musikalischen Trümmerbruchs – inklusive schrottreife Akustikgitarren, die sich bei "The grand delusional" oder "No help pamphlet" mit ungelenken Rhythmusmaschinen abmühen. Australicana? Eher weniger. Freak-Folk ohne Folk? Schon eher. Prima Idee? Ganz bestimmt nicht.

Es sind Stücke wie diese, deren zwanghafter Experimentierwahn vor allem zur Mitte hin in irrelevant blubberndem "Wenn ja – warum nicht?" resultiert – und Egalität ist vermutlich das Schlimmste, was man einer Liars-Platte nachsagen kann. Ein Vorwurf, den Andrew jedoch nicht auf sich sitzen lassen will: Plötzlich zeigt er beim perlenden Saitenspiel und der hingenuschelten Ohrwurm-Melodie von "No tree no branch", dass er die Klampfe auch richtig herum halten kann und inszeniert den Sequenzer-Knaller "Cred woes" samt aufgebracht lärmenden Riffs als lupenreinen Hit – wer hätte gedacht, dass im zerspanten Paralleluniversum von "TFCF" noch allen Ernstes von Rock'n'Roll die Rede sein könnte? Sicher nicht das beste Liars-Album, aber eine angemessen widerborstige Alternative zu Altar und Standesamt. Hier ist die Scheidung schöner als die Trauung.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Cliché suite
  • Staring at zero
  • No tree no branch
  • Cred woes

Tracklist

  1. The grand delusional
  2. Cliché suite
  3. Staring at zero
  4. No help pamphlet
  5. Face to face with my face
  6. Emblems of another story
  7. No tree no branch
  8. Cred woes
  9. Coins in my caged fist
  10. Ripe ripe rot
  11. Crying Fountain
Gesamtspielzeit: 37:58 min

Im Forum kommentieren

Plattenbeau

2017-08-17 12:08:41

Ich wüsste nicht, was "WIXIW" schlechter macht als andere Liars-Alben. Ich vermute mal, der aktuelle Rezensent hat einfach nur die Meinung seines Vorgängers übernommen, ohne sich näher mit dem Album zu befassen. Allgemein wurde "WIXIW" mit sehr positiven Kritiken bedacht.

Felix H

2017-08-17 11:48:49

"Wixiw" ist kein Rohrkrepierer. :-/

Liest sich sonst gut, bin mal gespannt.

Armin

2017-08-16 21:22:13- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

rhdf

2017-07-16 21:43:49

haha da hat er sich aber ins zeug gelegt, sieht echt kacke aus hahaha oh man

saihttam

2017-06-30 11:42:38

Auf jeden Fall ein heißer Anwärter auf den Titel des hässlichsten Albumcovers 2017. Die Single ist aber ganz ok.

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