Avey Tare - Eucalyptus
Domino / GoodToGoVÖ: 21.07.2017
Natürlich high
Wenn David Michael Portner, besser bekannt als Avey Tare, neue Musik präsentiert, muss man für vieles gewappnet sein. Vielleicht darauf, dass einem im flauschigen Gras ein Horror-Konzept um die Ohren gehauen wird. Oder ein hübsches Folkalbum mit seiner damaligen Frau durch reines Rückwärtsspulen zum kruden Drogentrip wird. Seine Hauptband Animal Collective macht verglichen damit jedenfalls reinsten Radiopop. Sein zweites nicht-kollaboratives Soloalbum "Eucalyptus" will gar nicht vom Pfad abweichen, der erneut in tiefes Dickicht führt. Vereinzelt blitzen Sonnenstrahlen durch, woanders versperren Schlingpflanzen den Weg. Dschungelmusik ist das. Nur konsequent, dass nach einer EP von Animal Collective, die im Regenwald aufgenommen wurde, auch "Eucalyptus" mit allerlei Natursounds aufwartet. Und zudem "Selection of a place" wiederverwertet – ohne Blätterrauschen, dafür mit Vögelgezwitscher und Wasserplätschern. Nicht die einzige Stelle, wegen welcher bei starkem Harndrang vom Genuss dieses Albums nur dringend abgeraten werden kann.
Klare Strukturen bietet Tare kaum, die Klänge fließen wie ein Stream of Consciousness ineinander. Das wirkt nicht nur ziellos, das will auch gar nirgendwo ankommen. Zu meist mit akustischer Gitarre dargebotenen Folkpassagen zirpen sich elektronische Geräusche herein, manchmal entführt ein Break in hohe Sphären oder tiefe Erdlöcher, Melodien schauen zufällig herein und verschwinden, um nie wiederzukehren. Gern darf es auch ein konfuser Trommel- und Sample-Wirrwarr wie das zweiteilige "Lunch out of order" sein. Dass die Platte privat zu Hause mit Bandkollege Deakin eingespielt wurde, hört man nicht nur am direkten Klang, sondern auch an der lässigen Atmosphäre. Ob die beiden da nüchtern waren? Welche synästhetischen Reize muss man aktivieren, um Zugang zu "Eucalyptus" zu finden? Im falschen Moment kann das Album durchaus nerven mit seiner mäandernden, angeschickerten Struktur. Aber wenn der Knoten platzt, dann richtig. Es ist ein farbenfroher Trip, gemacht für strahlende Sommertage. Wenn's mal wieder länger dauern darf.
Der Detailreichtum tut sein übriges, damit "Eucalyptus" doch nachhaltiger ist, als es vielleicht initial den Anschein hat. Spuren des ebenso sonnenverliebten Elektro-Folks von Fennesz finden sich in "Melody unfair", "Jackson 5" imitiert in einem Paralleluniversum voller Froschtümpel den Groove seiner Namensgeber. Droneschwaden überziehen unvermittelt den Sound, desorientieren, weisen nur den Weg tiefer in die Ursuppe hinein. Hinter dem Wasserfall steht ein Mann und singt über Bäume und Gewissenszustände. Schnell noch zum Spoken-Word-Vortrag über die Wichtigkeit von Korallen. War das ein Rudel aus Reverbs, angeklebt an einer Fata Morgana? Wo bin ich und wie bin ich hierhin gekommen? Erst mal einen Schluck klares Wasser. Gibt ja genug davon auf "Eucalyptus". Eine Stunde Irrfahrt durch die wilde Natur auf seltsamen Kräutern fordert ihren Tribut, keine Frage. Aber was soll man schon sagen gegen ein Album, das vielleicht einige Leute mal wieder an die frische Luft treibt?
Highlights & Tracklist
Highlights
- Melody unfair
- Jackson 5
- DR aw one for J
- Boat race
- Roamer
Tracklist
- Season high
- Melody unfair
- Ms. Secret
- Lunch out of order pt. 1
- Lunch out of order pt. 2
- Jackson 5
- DR aw one for J
- PJ
- In pieces
- Selection of a place
- Boat race
- Roamer
- Coral lords
- Sports in July
- When you left me
Im Forum kommentieren
Felix H
2017-12-13 16:34:03- Newsbeitrag
Armin
2017-07-19 21:48:50- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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