Placebo - Sleeping with ghosts

Hut / Virgin
VÖ: 24.03.2003
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Invisible touch

Die alte Standuhr schlägt zwölfmal. Es ist dunkel, stockdunkel. Der Wind läßt die Türen knarren. Ist es wirklich nur der Wind? Aus der Ferne dringen unwirkliche Geräusche. Stöhnen. Seufzen. Jauchzen. Quietschen. Merkwürdig und angsteinflößend. Beklemmend und bedrückend. Die Meister der Atmosphäre sind zurück. Und haben mit dem Titel ihres vierten Albums ganz tief in die Metapherkiste gegriffen. Wer mit sich selbst im Unreinen ist, steigt mit Geistern ins Bett. Oder so. Vorhang auf für ein kleines bißchen Horrorshow.

Schade nur, daß Brian Molko nicht nur dank seiner feschen Kurzhaarfrisur wenig angsteinflößend wirkt, sondern auf den jüngsten Fotos mehr denn je aussieht wie ein Baumarkt-Azubi nach dem Mißgeschick beim Farbtopf-Einräumen. Aber lassen wir das. Schließlich waren es bei Placebo neben dem Image vor allem die Songs, die paßgenau saßen, auf ein großes Meisterwerk namens "Without you I'm nothing" sowie zwei kleine verteilt waren und mit denen sie die Rockwelt der ausgehenden Neunziger nachhaltig geprägt haben.

Auch "Sleeping with ghosts" startet gleich mit einem Paukenschlag: "Bulletproof cupid" prescht mit Höchstgeschwindigkeit nach vorne. Zwei Minuten lang wartet man vergeblich darauf, daß der ersehnte Näsel-Gesang von Brian Molko einsetzt - vergeblich. Es soll nicht die einzige Überraschung des Albums bleiben: "Protect me from what I want" verblüfft mit merkwürdigen Betonungen im Gesang und offenbart erst nach geduldigem Hören seine Reize. Auch "English summer rain", die konsequente Fortsetzung von "Pure morning" und "Taste in men", findet mit netten Gitarreneffekten und versteckten Synthies erst den indirekten Weg ins Ohr. "Something rotten" dagegen, der mit Abstand ausgefallenste Track des Albums, hinterläßt kaum mehr als Verwirrung. Auch wenn sich Placebo hier freundlicherweise bemühen, für die versprochene Frankenstein-Stimmung zu sorgen, versprühen sie mit diffusem Getröte und anderen merkwürdigen Geräuschen höchstens den Schrecken einer Gummispinne. Huibuh!

Am überzeugendsten wirken Placebo, wenn sie ihr altes Erfolgsrezept in neue Songs verpacken: Mit dem straighten "The bitter end" gelingt ihre beste Single seit "Every me every you", und mit "This picture" wartet die zweitbeste schon in der Hinterhand. Auch das bewährte Jammertal lassen Placebo nicht aus: Wenn Brian Molko zum Titeltrack "Sleeping with ghosts" ansetzt, gibt es für traurige Seelen kein Halten mehr. "Hush / It's okay, dry your eyes / Soulmate, dry your eyes" beschwichtigt Molko, als es ohnehin schon zu spät ist und die Tränen fließen. Einfach so. Wenn "Centrefolds" den letzten Rest herauspreßt, sind endgültig alle verfügbaren Taschentücher vollgeheult. "Hush, it's okay" hallt es immer noch durch die Nacht. Die alte Uhr schlägt einmal. Es ist Ruhe eingekehrt. Die Ruhe vor dem nächsten Sturm.

(Armin Linder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • This picture
  • The bitter end
  • Sleeping with ghosts

Tracklist

  1. Bulletproof cupid
  2. English summer rain
  3. This picture
  4. Sleeping with ghosts
  5. The bitter end
  6. Something rotten
  7. Plasticine
  8. Special needs
  9. I'll be yours
  10. Second sight
  11. Protect me from what I want
  12. Centrefolds
Gesamtspielzeit: 47:23 min

Im Forum kommentieren

The MACHINA of God

2023-03-25 01:42:31

Die zweite Hälfte mit "Special Needs" und "I'll Be Yours" mit den besten Songs des ganzen Albums... :)

Die meinte ich auch nicht. "Centrefolds" ist auch toll.

Dan

2023-03-25 01:33:25

Die zweite Hälfte mit "Special Needs" und "I'll Be Yours" mit den besten Songs des ganzen Albums... :)

Das rockige "Plasticine" ist mir auch 100x lieber als "Bitter End", was ich nie so richtig mochte eigentlich.

The MACHINA of God

2023-03-24 23:37:45

Krass, 20 Jahre... oh man. Hab das Album rauf und runter damals gehört im Hitzesommer (wie auch "Think tank" und Zwan). Ich mag die Produktion auch sehr. Auch sonst ein richtig gutes Album, nur in der 2. Hälfte ein paar etwas egalere Nummern.

Autotomate

2023-03-24 22:55:40

Puh, 20 Jahre... Happy Releaseday an mein... ämm, fünftliebstes Placebo-Album 8/10

Dan

2023-03-24 22:34:10

20 Jahre alt geworden, dieses Album. Finde immer noch, dass es eines ihrer besten ist wenn nicht das beste wegen der durchgehend homogenen Stimmung der Songs und der Produktion... ;)

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